Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Potsdam, 24./25. August 1872

Potsdam 24/8 72.

Lieber Ernst und liebe Agnes!

Da ich in Gedanken Euch immer am liebsten vereinigt weiß, so richte ich auch gerne meine Worte an Euch gemeinsam. Habt Beide herzlichen Dank für Euere lieben Briefe, die mich sehr beruhigt haben. Euer Wohlbefinden freut mich innig. – Eine große Ueberraschung und Freude habt Ihr mir durch das Bildchen gemacht: das liebe Herzens Kindchen tritt daraus so lebendig hervor, daß man es herzen möchte. – ||

Hoffentlich kommt bald das Bildchen von Walterchen nach. – Oft habe ich rechte Sehnsucht nach den beiden lieben Kinderchen, Lisbethchen hat mich wohl schon recht vergessen; aber Walterchen denkt noch wohl an die alte Großmutter? wie sie immer nur wünscht: die Kinder möchten recht brav sein. –

Recht leid ist es mir aber, daß Ihr gar nicht daran denkt her zu kommen, wie gerne hätte ich Euch alle zusammen bei mir!! – ||

Nun, liebe Agnes, muß ich einiges Wirthschaftliche mit Dir besprechen 1) es versteht sich, daß ich Dir die große Terine schenke, kannst Du dort eine gut passende bekommen, so ist mir es lieb, wenn Du sie dort kaufst und mir schreibst was sie kostet, auch was Du für den Katun gegeben hast, damit ich es zusammen anschreibe. Findest Du dort keine passende, so würde ich in Berlin in der Fabrik eine kauffen. 2) ebenso bitte ich mir zu schreiben ob Du in Jena die Gardine kauffen willst, die || ich Ernst für seine Stube geben will, oder ob ich sie hier besorgen soll; dann schreib mir aber wie hoch die Stube ist, und wie viel Fenster sie hat. –

Auch die weißen Gardinen, wovon wir sprachen werde ich Dir gern schicken; oder besser wäre es Du könntest sie selbst mit nehmen. Willst Du auch weiße Roullos haben?? – –

Für heute wünsch ich Euch: eine gute Nacht! Ich bin so müde, daß ich nicht mehr schreiben kann. – ||

Sonntag. Ist denn Michluchow schon gestorben? Frau von Schel, die zum Besuch bei Bassewitz ist, sagt man habe ihr in Jena gesagt: Miklucho-Maklai sei auf einer Exposition von Menschenfressern getödtet. Karl und Clara grüssen Euch recht herzlich, ich sollte heute Mittag dort sein habe aber gedankt, weil mir die Tage nicht so ganz frisch war, ich bin zwar täglich ausgegangen, aber die Ruhe that mir heute gut, früh war ich in der Kirche, wo ich eine sehr gute Predigt hörte. Gegen Abend ging ich noch einen Augenblick zu Karl im Gartten, blieb aber nicht, wie sie wollten, da ich heute das Haus nicht allein lassen wollte, Marie ist aus. Zu Karl war heute mit || dem Extrazuge Conrad Jacobi gekommen, der allein in Berlin ist, da seine Mutter und Schwester noch in Hennigsdorf sind. Helehne war mit den beiden Kindern in der Schweiz, in der Zeit der Schulferien. – Ich habe Conrad nicht gesehn, der da er mit den andern Herrmann, Heinerich und Pösche spazieren war, Clara sagte mir aber er habe gesagt: Max Sack sei wieder krank; das ist doch recht traurig, für die alte Tante. –

In der heutigen Spenerschenzeitung ist ein Feulgeton, wobei ich mir dachte, daß es Dich interessieren würde, nämlich eine Beschreibung von den || neuen Bildern von Kaulbach und vom Manogsen. Mit wahrer Freude sehe ich mir immer Lisbeths Bildchen an, das liebe Gesichtchen ist ganz sprechend, etwas Fremdes war mir drin, und ich bin erst eben darauf gekommen, worin das liegt: daran ist Agnes oder Minna Schuld, da sie zum Photografieren sie haben verschönern wollen durch Scheitelen des Haars, da sie gewöhnlich die Löckchen frei hat, so giebt ihr die künstliche Frisur ein fremdes Ansehn. Karls Kinder haben sich auch alle sehr gefreut das Bildchen zu sehen. – ||

Es freut mich sehr, liebe Agnes, daß Deine liebe Mutter und Ihr alle die Freude habt den Bruder da zu haben, da werdet Ihr die Woche recht vergnügt sein; daß Ihr Geschwister alle beisammen seid. Grüsse alle herzlich von mir. – –

Behaltet lieb

Euere

Euch innig liebende

Mutter Lotte.

Karl auch herzlichen Gruß. –

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.08.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36482
ID
36482