Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 13. Oktober 1871

Berlin, 13/10 71.

Mein lieber Ernst!

Herzlich danke ich Dir für Deinen lieben Brief. Ich wollte Dir schon früher schreiben, ließ es aber um Dir auch von Potsdam zu berichten, wohin ich gestern wollte. Unsern Karl fand ich, Gott sei Dank, doch besser; das Geschwür ist am Heilen, und der Doctor hatte auch gestern gemeint, er brauche den Hals nicht mehr zu pinseln. Freilich darf er noch nicht ausgehn, aber er sieht auch nicht mehr so elend aus. – ||

Eine große Beruhigung war es ihm, daß sie endlich eine Wohnung gemiethet haben in der Breitenstraße, aber sie müssen 500 Thaler geben, für Potsdam ein unerhörter Preis. Hätten sie aber das in Frage stehende Haus gekauft, so würden sie nach Berechnung wohl noch höhere Miethe verwohnt haben. Es ist mir auch lieb, daß sie sich mit Kaufen nicht übereilt haben, so findet sich vielleicht || gelegentlich mal was passendes. Die Kinder waren alle wohl, den Heinnrich mußte ich auf Karls und Claras Wunsch mitnehmen, da sie nicht wollten, daß ich allein zurück reisen solle. So sehr sie auch baten daß ich den Abend noch bei ihnen bleiben solle, so ließ es mir keine Ruh ich fuhr um 7 Uhr. Ach, ich kann Dir nicht sagen, wie wehmüthig es mir war; ich mußte immer daran denken welch Verlangen Häckel hatte nach Potsdam zu fahren. ||

Karl, Clara die Kinder alle waren so lieb und gut; aber mir war so weh, ich kann es Dir nicht sagen, ich fühlte es gestern Abend und auch heute, wie es für mich jetzt noch am Beßten ist, still für mich zu sein; da hoffe ich mich zuerst zurecht zu finden. So gerne ich auch wollte, so konnt ich Dir gestern Abend doch nicht schreiben. –

Nun für heute: gute Nacht, ich bin sehr müde. Gott behüte Euch; ich danke ihm von Herzen für meine lieben Kinder und Enkel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.10.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36425
ID
36425