Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 7. Mai 1871

Berlin 7/5 71.

Mein lieber Ernst!

Bei der grimmigen Kälte, die wir jetzt immer haben, dachte ich oft mit Sorge daran daß Du schon ein besseres Wetter im Süden gewohnt wärst, und Du hier durch den Wechsel krank werden möchtest, und leider ist meine Sorge nicht ohne Grund gewesen, wie ich aus den heute erhaltenen Zeilen von Dir sehe. Uebrigens danke ich Dir herzlich, daß Du uns Nachricht gegeben hast. Du mußt Dich aber wirklich mehr in Acht nehmen: Du hast jetzt so oft Kartar. || Nun, wenn nur erst die Kälte und der ewige Regen aufhören, so hast Du den Vortheil in diesem Jahr zweimal Frühling zu erleben. –

Daß die Kinder beide wohl sind, freut mich sehr. Für Walterchen schicke ich Mehlweißchen mit, davon mußt Du ihm zuweilen einige gegeben, und sage ihm, die kämen von der alten Großmutter, die so gerne die Kinder mal sehn möchte. –

Daß Agnes noch viel Schmerzen hat, thut mir leid, hält sie || wohl drauf, wechselnde Leibesöffnung zu haben, bei allen Unterleibsübeln spielt das eine große Rolle. Mir ist es als hätte Agnes immer gerne solchen Honigkuchen gehabt, wie ich Euch einen hierbei schicke. – Den Kakao habe ich noch nicht bekommen können der Kaufmann will ihn schicken, ich habe 4 [Pfund]a bestellt, die werden wohl eine Weile reichen. Wenn der alle ist, so schreibe ja gleich. – Muß Agnes denn noch immer liegen? ich denke es wird ihr besser werden, wenn sie wird auf sein können. ||

Sonntag. Gestern kam der Kakao zu spät, ich schicke daher erst heute. Daß bei Stadtrichters ein Töchterchen angekommen ist, hast Du wohl gehört; da geht es gut. Bleeks sind aber sehr betrübt am 2ten Mai ist ihr jüngstes Kindchen plötzlich gestorben. Wenn dieser Tod auch in soweit als glücklich anzusehn ist, da das Kind wahrscheinlich ein trauriges Leben gehabt hätte, da sich gefunden, daß es ein zu großes || Herz hatte; so ist doch der Verlust für die Eltern schmerzlich. Sie werden wohl in dem nächsten Tagen abreisen; früher wollte Marie mit den Kindern noch länger hier bleiben; nun will sie aber Theodor nicht alleine reisen lassen. −

Tante Bertha, die heute nach Potsdam ist, denkt künftigen Dinstag nach Bonn zu reisen, wo sie wohl mehrere Monathe bleiben wird. ||

Vater der Euch schön grüssen läßt, fragt an ob Du Alexander von Humboldts Reisen durch Süd-West-Amerika hättest? und wenn das ist, bittet er Dich sie ihm mitzubringen, da er sie gerne lesen will. – Er wollte sich das Werk gestern beim Buchhändler bestellen, das habe ich dadurch abgewährt daß ich sagte: wahr-||scheinlich hättest Du es. Ist das nun nicht der Fall oder willst Du es nicht dem Tetoieren aussetzen; so werde ich mal durch Karl bei Kampmeier fragen lassen, ob es antiquarisch zu haben ist; oder Du besorgst es, wenn Du hier bist.

Wann denkst Du denn zu kommen?? schiebe es nur nicht zu lange auf, sonst erzählst Du uns nichts mehr von Deiner Reise. || Wann denkt Deine Frau mit den Kindern her zu kommen? Es wäre gewiß Agnes sehr heilsam, wenn sieb sich mal heraus rappelte. Von Herzen wünsche ich ihr, daß die Schmerzen nach lassen mögen. Kann sie noch nicht mit Dir spazieren gehn? Der kleine Junge marschiert wohl schon wacker mit Euch? Nun seid alle aufs Innigste gegrüßt von Euerer alten

Mutter Lotte

Ist Deine Schwiegermutter wieder gesund??

Brief Metadaten

ID
36411
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
07.05.1871
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36411
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Berlin; 07.05.1871; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36411