Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 4. April 1871

Berlin 4/4 71

Mein lieber Herzens Ernst!

In recht banger Sorge war ich in der letzten Woche um Dich und Deine kleine Tochter; nun geht es ja, Gott sei Dank gut; gestern früh bekam ich von Agnes einen Brief, worin sie mir schrieb, daß es nun mit dem kleinen Mädel besser ging. Es war mir nun wohl leid, daß ich Dir in meinem letzten Brief von ihrem Erkranken geschrieben hatte; doch wirst Du ja wohl durch einen später von Agnes geschriebenen Brief, er-||fahren haben, daß die Sorge vorüber sei.

Agnes klagte mir auch ihr Leid, welche Angst sie um Dich habe; da sie ja nicht einmal wisse, ob Du glücklich auf der Insel gelandet seist.

Gestern Abend spät erhielt ich Deinen Brief vom 27/3, der uns sehr erfreut, da es Dir ja so sehr nach Wunsch geht, und Du reichliches Arbeitsmaterial gefunden hast, überhaupt hast Du ja viel Interessantes gesehn. Ich freue mich schon darauf, wenn || Du uns wirst mündlich alles mittheilen können. Nun mit Gottes Hülfe wird das hoffentlich bald geschehn. – Deinen gestrigen Brief habe ich nach Deinem Wunsche gleich nach Potsdam geschickt; wohin der eben von Agnes erhaltenen [!] folgen soll: der Brief an uns mit dem fünften Reisebericht folgen soll. –

Agnes schickt mir ein Bildchen von Euerem Walter mit, das macht mir viel Freude, auch Vater freut sich sehr darüber. Auch schreibt mir Agnes, daß Euer Töchterchen sich sehr erholt habe, und jetzt gut gedeihe. – – ||

Nach Deiner Weisung werde ich diese Zeilen nach Triest schicken; also treffen sie Dich schon auf dem Heimweg; und da wirst Du ja auch wohl noch können den Einzug hier mit ansehn: ob der noch zum 1sten Mai sein wird, weiß ich nicht. Wenn nur nicht die Unruhen in Frankreich uns noch Querstriche machen, es ist doch zu furchtbar welche gräuliche Verwirrung und Verblendung dort herrschen. Die armen Menschen. || Was soll ich Dir nun von uns hier sagen: Vaters Erkältung hat sich gebessert, was noch ein Wunder bei dem schlechten Wetter ist: kalt, abwechselnd Sturm, Schnee, Hagel und Regen. Gestern und heutea konnten wir doch um Mittag einen leidlichen Augenblick zum Fahren benutzen, was Vater doch sehr lieb ist. –

Vergangenen Sonnabend waren Karl, Clara und die kleine Marie zu Mittag bei uns, wir hatten dazu Ernst Naumann, Frau Professor Weiß und Claras || Onkel Müller gebeten. Es war recht nett. –

Ernst Naumann sah furchtbar elend aus und schien auch viel Schmerz zu haben, der arme Junge.

Heute früh erwarttete Onkel Julius die Sobernheimer zum Besuch. –

Gestern ist Tante Bertha umgezogen, es geht mit ihrem Fuß besser, aber immer noch nicht gut. Tante Bleek in Bonn geht es auch viel besser, sie ist schon ausgefahren. ||

Am Sonnabend Nachmittag kam Karl aus Freienwalde hier an und fuhr Abends mit seinen Eltern nach Potsdam. Es ist eine wahre Freude den Jungen so frisch, vergnügt und mit solcher gesunden Farbe zu sehn. – Morgen wird nun Herrmann konformiert. Uebrigens brachten sie von Potsdam die censuren der 6 dort die Schule besuchenden mit, die waren alle sehr gut, das ist doch eine rechte Freude. Von mir, mein lieber Ernst, weiß ich Dir nur zu sagen, || daß mich manch häuslicher Kummer quält, doch das muß auch durch gemacht werden. Nun, mein lieber Herzens Sohn sage ich Dir mit den herzlichsten Grüssen Deines Vaters Lebewohl. Gott behüte Dich ferner auf Deiner Reise, daß Du gesund heimkehrest und Frau und Kinder gut finden mögest.

Behalte lieb

Deine

Dich so herzlich liebende

Mutter Lotte

a eingef.: und heute

Brief Metadaten

ID
36402
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
04.04.1871
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36402
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Berlin; 04.04.1871; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36402