Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Berlin, 15. Juli 1869]

Donnerstag

Lieber Ernst!

In Gedanken habe ich Dir schon seit mehreren Tagen geschrieben, in Wirklichkeit konnt ich nicht dazu kommen. Tante Bertha ist vorgestern sehr befriedigt von ihrer Reise zurück gekehrt, und ich habe mich sehr gefreut, was sie mir von Euerem Ergehn gesagt; vom kleinen Walter spricht sie mit Entzücken, Gott erhalte uns, das liebe Kind! – –

Tante Bertha hat es nun hier || nach ihrer Erholungsreise sehr ernst gefunden, Gertrude ist gar nicht recht; sie hat sie hatte Dinstag nach Töplitz gewollt, alles gepakt da bekam sie wieder mehrmals so Beklemmungen, die sich so steigerten, daß Heinrich Quincke, der Vater ist verreist, meint in den ersten 8 Tagen wäre an Reisen nicht zu denken, wenn es sein Kranker wäre, ließ er sie gar nicht reisen; er will an seinen Vater || schreiben. Mir macht der Zustand große Sorge. –

2tens Ist Julie Leut, die Schwester von Wilhelm Bleeks Frau, hier bei Forstners am Nervenfieber erkrankt und recht bedenklich; in Folge dessen ist Wilhelm Bleek mit Frau und Kind vorgestern hier angekommen, sie wohnen bei uns; heute werden sie zu Mittag bei Tante Bertha sein, wenn diese nicht bei Tante Gertrude sein muß. Du siehst also, daß es vielerlei wieder giebt: Vater will heute nicht mitgehn, so bleiben wir beide heim. ||

Tante Bertha hat mir gestern 150 Thaler von Dir gegeben, ich werde nun abwartten, was Du drüber bestimmst, und darnach den Ankauf des Geldes bestimmen; Du schreibst die Westfälische Anleihe solle ich für Dich besorgen, doch bestimmst Du nicht wieviel ich für Dich anlegen soll: die Actionäre sind nicht verpflichtet dazu, sondern jeder kann zeichnen wieviel er will, ich denke 2000 Thaler zu zeichnen; || es ist deshalb nicht nöthig, daß Du oder Karl auch was giebst. Wenn Du grade Geld disponiebel hast, so ist es nicht unvortheilhaft doch bestimme dann wieviel, die erste Einzahlung von 25 Procent wird nicht vor dem ersten September gefordert werden. Von dem Gelde, was ich für Dich hier berechnet habe durch Verkauf, Ankauf etc bekommst Du noch einige 40 Thaler, würde also ziemlich die erste Einzahlung gedeckt sein, wenn Du || 200 Thaler zulegst, denn die Obligationen werden alle zu 200 Thalern ausgegeben. Nun bitte ich Dir [!] dringend mir umgehend zu schreiben, ob ich für Dich was zeichnen soll, denn ich will gerne spätestens Montag die Pappiere nach Dortmund schicken. Doch genug davon, ich denke ich habe Dir es deutlich gemacht.

Von Herzen freue ich mich, daß es mit Frau Gegenbauer zur Besserung geht, gebe Gott, daß sie bald || ganz genesen möge. Wie geht es denn mit Hildebrand? Wie mir Bertha sagt, geht es doch Deiner Schwiegermutter jetzt besser, was mich sehr freut. –

Auf Dein Kommen freue ich mich sehr; wie mir aber Bertha gestern sagt, so würde Agnes mit dem Kinde nicht gleich mit Dir kommen, und doch wäre es ja eine Beruhigung, wenn sie mit Dir zusammen die Reise machte; jeden Falls || muß sie aber so lange als möglich bei uns sein. Kommt sie ohne Dich, so schärffe es ihr nur recht ein, daß sie beim Fahren den Jungen so viel als möglich liegen läßt, das ist für den Rückgrad nöthig.

Nun, lieber Ernst für heute genug, gieb Deiner Frau und Deinem Jungen einen Kuß von

Deiner

Dich so herzlich liebenden

Mutter Lotte

Herzlichen Gruß von Karl.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.07.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36364
ID
36364