Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 14./15. Februar 1870

Berlin d. 14t

Februar 1870.

Lieber Ernst!

Gottes reicher Seegen sei mit Dir zum neuen Lebensjahr, mein Herzens Sohn! Gott schenke Dir ferner Gesundheit, gebe Dir viel Freude in Deinem Berufsleben, und vor allem erhalte er Dir Dein häusliches Glück ungetrübt; und gebe Euch fortdauernd Freude am Gedeihen Eures Kindchens. Wie gerne möchte ich den kleinen Schelm mit unter sehn; doch darauf muß ich ja für’s erste verzichten, und zufrieden sein wenn es Euch gut geht. ||

Habt Ihr, Lieben, denn auch in Jena solche barbarische Kälte wie wir hier; wir haben furchtbar heizen müssen, und dabei haben wir es in meiner Stube selten über 9 Grad gebracht, in Häckels 12. – Heute scheint es etwas gelinder, nur ist der Wind sehr stark. – Vater hat auch wieder tüchtigen Husten, der besonders Nachts ihn quält. Dabei muß aber regelmässig gefahren werden. –

Tante Auguste geht es besser, aber bei der || Kälte ist an Ausgehn nicht zu denken. Heute Nachmittag besuchte uns Heinnrich einen Augenblick mit seiner Frau, und ich habe mich sehr gefreut, wie prächtig Gertrudchen aussieht, auch soll der Kleine gut gedeihen. – Mit Tante Gertrude ist es immer so wechselnd, heute war ich einen Augenblick bei ihr. – Tante Bertha ist heute nach Potsdam gefahren zum Geburtstag der kleinen Anna. Ach, wenn ich doch übermorgen nur ein halbes Stündchen bei Euch, Lieben, sein könnte, nun ich muß || ja zufrieden sein, wenn es Euch gut geht, und das hoffe ich. – –

Wie gerne, mein lieber Ernst, wollte ich Dir eine kleine Freude machen; Du erhälst hierbei, in dem Packet Tuch zu einem Rock, Deiner sah zu schäbig aus, und da Du so ungern im Frack gehst, so mußt Du doch einen anständigen Rock haben, und wünsche nur, daß es Deinen Beifall habe. Dann schicke ich Dir im Kistchen 20 Deskaer, ich habe || sie gezählt damit Du siehst, ob sie richtig sind, da es uns in Jena schon einigemal so gegangen ist, daß das Kistchen auf war, und was heraus. Damit nun Frau und Kind nicht leer ausgehen, erhält Agnes Kaffe und solchen Peffekuchen, den sie gerne auf Butterbrod ißt, für klein Puttchen sind die Mehlweischen, davon mag Agnes ihm mit unter eins geben, wenn es nicht recht mit dem offenen Leib ist; dann habe für Walterchen ein paar kleine Handschuh gestrickt, ob sie ihm passen? – –

Den 15ten. Guten Morgen, meine lieben Kinder! Ich konnte gestern Abend nicht mehr abschicken, da ich die Mehlweißchen nicht bekam, nun hoffe ich nur, daß es morgen ankommt. Seid zusammen recht vergnügt, und denkt dann auch an Euere alte Mutter, die so gerne bei Euch wäre. – ||

Vater grüßt Euch aufs herzlichste. Behaltet lieb

Euere

alte Mutter

Lotte

Mutter Huschke und Clara den herzlichsten Gruß.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36335
ID
36335