Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 23. August 1854
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Mein lieber Herzens Ernst!
Gestern erhielten wir Deinen lieben Brief, herzlichen Dank dafür. Wie sehr freue ich mich, daß Du so zufrieden und glücklich über Deinen Aufenthalt bist, und vor allem daß Dir das Bad gut bekommt; brauche es nur mit aller Vorsicht. So sehr ich Dich entbehre, so freue ich mich doch Dich heiter zu wissen. Tante Bertha ist auf der Besserung, hoffentlich bleibt es so dabei, sie ist aber noch immer sehr schwach, Karl hat sie gestern zum erstenmal gesehen. – –
Auch Großvater und wir alle sind sehr wohl. Du kannst Dir aber denken wie sehr wir uns über Adolph Schubert erschrocken haben, und welche schweren Tage wir durchlebt haben; von Karls Hiersein haben || wir nichts gehabt, und doch war es ein großes Glück, daß er grade hier war, ich weiß nicht wie es sonst hätte gehen können; er durfte keinen Augenblick allein sein; Quincke hat ihn mehrere Tage beobachtet, und findet es nöthig, daß er unter beständiger Aufsicht eines Arztes ist, Häckel wird ihn daher nach Kiel bringen, wo ein Arzt ist, den Quincke gut kennt und der besonders in Behandlung solcher Kranken sehr erfahren und gut ist. Mir wird es recht schwer, und ich hätte ihn || am liebsten hier behalten, besonders da er es oft ausspricht, daß er so glücklich sei, bei uns zu sein. Der arme Mensch; a manche Stunden ist er ganz gut und vernünftig. Gott gebe ihm baldige Besserung. – –
Gestern früh kam Aegidi hier an, der Dich herzlich grüssen läßt; er war nur ein paar Stunden bei uns, und mußte gleich nach Freienwalde weiter zu seinen Aeltern. Er läßt Dir sagen ob Du Deine Rückreise von Aurich nicht so einrichten wolltest, daß Du am 19ten September in Göttingen zur Natur-||forscher Versammlung sein wolltest, wenn Du auch nicht mit den Leuten verkehrtest, so könntest Du doch die Vorträge hören, und sähst doch die bedeutendsten Männer; er sei noch nicht da, und Du könntest in seinem Quartier wohnen. Wenn Du das wolltest, so solltest Du es Aegidien nur zeitig nach Freienwalde schreiben; er würde Dir dann Empfehlungen schicken. – – Nun, mein lieber Herzens Ernst sei recht heiter und halte dich gesund. – Heute b Nachmittag reist Karl ab. Freitag Abend kommt Hermine mit Kind und Anna, auch Helenchen wird Freitag kommen. Alle werden bei uns wohnen. – –c
Denke fleißig an Deine Mutter. – –
a gestr.: es sind; b gestr.: Abend; c Text weiter am linken Seitenrand: Alle werden … wohnen. – –