Haeckel, Charlotte; Haeckel, Carl Gottlob

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Aurich, 7. August 1856, mit Beischrift von Carl Gottlob Haeckel

Aurich d. 7ten Aug.

Mein lieber Herzens Ernst!

Deine alte Mutter ist in rechter Sorge um Dich, Dein letzter Brief vom 25sten, brachte uns die Nachricht, daß Du einen so heftigen Kolikanfall gehabt. Nun versicherst Du wohl, wieder ganz gesund zu sein, giebst aber das Versprechen uns noch einmal nach Eilsen zu schreiben. Leider haben wir dort keinen Brief bekommen, und auch hier bis jetzt nicht, obgleich ich Dich in meinem letzten so dringend bat, uns bald Nachricht zu geben. Da dies nun nicht geschehen, so habe ich große Sorge, ob ein Rückfall gekommen oder Dir sonst was ist. Ich bitte Dich || dringend, uns ja gleich zu sagen, oder wenn Du nicht schreiben kannst, so bitte einen Deiner Freunde uns zu sagen, wie es Dir geht. Solltest Du, was Gott verhüten möge, wirklich krank sein, dann können wir ja gleich zu Dir kommen.

[Beischrift von Carl Gottlob Haeckel]

Du siehst, lieber Ernst, wie vorsichtig Du in Deinen Briefen mit Versprechungen des Schreibens sein mußt. Denn kommt ein Brief nicht zu erwarteter Zeit an, dann ist Mutter gleich in der größten Sorge. Wir sind nun seit dem 3 August hier und befinden uns recht bene. Wir fuhren am 2ten in Einem Tage bis Emden, wo wir übernachteten, und den andern Morgen zeitig hieher fuhren, so daß wir schon früh halb 9 Uhr hier waren. Jetzt sind hier beisammen: Oncle und Tante, Cousine Nette aus Amsterdam nebst Tochter Luise, Louis Mulder, nebst Frau, Gertrude, Mutter und ich, also 9 Personen, die einen sehr hübschen Familienzirkel bilden. Da wird bei Frühstük, Mittag, Kaffee und Abendbrod viel geplaudert, auch Nachmittags spatzieren gegangen. Wir werden wohl bis zum 18ten oder 19ten hier bleiben, dann über Hamm, Dortmund, Bochum und Düsseldorf nach Bonn gehen, wo wir den 23sten einzutreffen gedenken. a Die Reise nach Cleve werden wir aufgeben. Den 21sten werden es 6 Wochen als Mutter den letzten Fieberanfall hatte (den 10 Juli nehmlich). Sie mußte gegen den 21sten Tag wieder Chinin nehmen, trinkt auch jetzt täglich einen Aufguß von Quassia und China, und soll es nun die jetzigen 3 Wochen bis zum 21 August (was wiederum der 21ste Tag ist) ohne Chinin versuchen, auch vor dem Ablauf dieser 3 Wochen besonders gegen den 21sten Tag nicht den Rhein paßirenb aber die Rheinfahrt zu Waßer aufgeben. Da wollen wir Cleve dran geben. Denn wir wollen 14 Tage in Bonn bleiben, also bis zum 7 September und dann zu Dir kommen, wir würden also den 9ten oder 10 September in Würzburg eintreffen. Mutter hält streng Diät im Eßen und nimmt sich sehr vor Erkältung in Acht, sie sitzt abends nicht im Freien und meidet auch Morgen und Abendfahrten im feuchten Terrain und neblichten Wetter. Das genirt uns freilich sehr auf der || Reise, aber Mutters Gesundheit ist die Hauptsache. Hier bei Oncle kann sie sich nach Belieben pflegen, das wird auch in Bonn der Fall sein. Sie hat 30 Schwefelbäder genommen, ich 21. Die Bäder haben mich sehr angegriffen. Mutter ist auch matt, wohl noch vom Fieber. Aber der Appetit hat sich bei ihr wieder eingefunden. Die Häckelei in Freienwalde nebst Helene und den Kindern gehen heute nach Heringsdorf. –

Wir erwarten nun Deine weitere Entschließung wegen Deiner Reise. –

Eilsen ist doch ein sehr schön gelegener Ort und auch die Bäder sind sehr kräftig. In den letzten 8–10 Tagen sind wir dortc viel spatzieren gefahren, haben auch seit 14 Tagen schönes, warmes Wetter gehabt. Hier führen wir ein rechtes Schlaraffenleben, in Eilsen haben wir viel gelesen. Die Reise hieher hatten wir einen schönen heißen Tag durch ganz verschiedenartige Gegenden. Für heute genug. Der Brief muß fort. Dein

Alter Hkl

[Nachschrift von Charlotte Haeckel]

Tante und Lui haben sich über Dein Bild gefreut. Louis hat mir eine Ansicht für Dich gegeben die er im Harz gezeichnet hat.

Nun Gott befohlen, mein Herzens Junge schreibe bald

Deiner

alten Mutter

a gestr.: Dort wollen; b mit Einfügungszeichen eingef.: auch vor dem Ablauf …. Rhein paßiren; c eingef.: dort

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
07.08.1856
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36085
ID
36085