Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Aurich, 16. August 1856, mit Nachschrift von Charlotte Haeckel

Aurich 16 August 56

Lieber Ernst!

Gestern Abend habe ich einen Brief von uns auf die Post gegeben, den Du nun erhalten haben wirst und den Du bald weiter nach Berlin befördern sollst. Heute früh ist Dein Brief vom 13ten bei uns eingegangen, worin Du uns Deine Reise nach Nizza zur Entscheidung stellst. Diese ist uns nicht schwer geworden. Wir genehmigen Deine Reise nach Nizza und stellen Dir 200 rℓ. Reisegeld zur Disposition. Es fragt sich nun: wie viel Du gleich zur Abreise haben willst? Wir können Dir gleich 50 rℓ. von Bonn aus schiken und über die übrigen 150 rℓ. Dir einen Kreditbrief nach Nizza besorgen zum weitern Gebrauch. Schreibe uns bald hierüber nach Bonn, wo wir am 23sten eintreffen wollen. Du kannst dazu das Geld schon den 25sten oder 26sten haben. So freudig wir Dich in Würzburg begrüßt haben würden, so sind doch die Gründe für die Reise nach Nizza so überwiegend und es leidet gar kein Bedenken diese vorzuziehen, besonders da Du durch Bekmann bei Virchow vertreten werden kannst. Es freut uns, daß Du selbst die volle Ueberzeugung gewonnen hast, wie vortheilhaft Dir diese 2 Jahre in Würzburg gewesen sind. Daß Du jetzt das Reisefieber bekommst, finde ich ganz natürlich. Ich würde es auch haben, wenn ich jung wäre, besonders, seitdem uns durch die Eisenbahnen und Dampfschiffahrth die ganze Erde geöffnet ist und die Fortschritte in den Wißenschaften ein rationelles Reisen so sehr begünstigen. Mutter und ich wollen vollea 14 Tage in Bonn bleiben, wir gehen dann vielleicht noch einige Tage nach Cleve und direkt über Wesel und Düsseldorf und Hannover nach Berlin zurük. Das wird sich erst in Bonn entscheiden. Gegen den 10ten und 11 September werden wir wieder in Berlin sein, dann 8–10 Tage dort bleiben und zu Carls Geburtstag nach Freyenwalde auf 14 Tage, so daß wir erst in den ersten 8 Tagen des b October nach Berlin zurükkehren um dort Posten zu faßen. Gegen Ende October erwarten wir Dich dann bei uns. Gott gebe Dir sicheres Geleit. Nizza ist ein sehr schöner Aufenthaltsort, der Dir sehr gefallen wird. Wir haben heute Briefe von Carl, der mit den Seinigen am 9ten in Heringsdorf eingetroffen ist und sich über den schönen Aufenthalt daselbst sehr freut. Er c wird nun in der Ostsee und Du im Mittelländischen Meer baden. Möge es Euch beiden wohl bekommen. Ich glaube, daß grade dieses letzte halbe Jahr für die Entwikelung Deines Charakters sehr wohlthätig sein wird und freue mich, daß sich auch Kölliker Deiner so annimmt. Würzburg können wir ja mit der Mutter einmal später besuchen. Uns geht es hier sehr wohl. Wir wollen am Dienstag von hier abreisen, über Emden, Dortmund, Bochum und Düsseldorf nach Bonn gehen. Die Erndte fällt auch hier sehr gut aus. Wir haben einige kleine Touren über Land gemacht und freuen uns übrigens des häuslichen Kreises, in welchem sehr viel geplaudert und gelacht wird. Oncle, Tante, die Holländer und Gertrud grüßen Dich aufs herzlichste.

Dein alter Vater Haeckel

[Nachschrift von Charlotte Haeckel]

Mein lieber Herzens Ernst!

So sehr ich mich auch gefreut haben würde, Dich in Würzburg zu sehn, so gebe ich das doch mit Freuden auf, || um Dir dadurch die Freude der Reise zu verschaffen, nur muß ich nun Dir schriftlich noch eben die Bitte ans Herz legen; vord allem dran zu denken, was für Deine Gesundheit gut ist, Du mußt ja nicht zu ungestüm sein und zu wagehalsig; geniesse das Schöne was Dir gebothen wird, aber setze Dich nicht unnöthig Gefahren aus. Beim Baden in der See bleibe nicht zu lange im Wasser, und übertreibe das Schwimmen nicht; auch sei vorsichtig beim Sammeln der Thiere etc.; denke nur fleißig an Deine Eltern. Nun Gott geleite Dich, und gebe, daß Dir es gut gehe, und wir uns alle im October gesund und froh wiedersehn. Du mußt uns auch noch sagen ob wir Dir den Kreditbrief nach Nizza schicken sollen und unter welcher Adresse. – Nun nochmals herzliches Lebewohl, mein Herzens Junge von Deiner alten Mutter.

a eingef.: volle; b gestr.: Spt.; c gestr.: ist; d gestr.: bei; eingef.: vor

Brief Metadaten

ID
35888
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Hannover
Datierung
16.08.1856
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
21,8 x 27,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35888
Zitiervorlage
Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Aurich; 16.08.1856; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35888