Hans Meyer an Ernst Haeckel, Leipzig, 3. Januar 1894

DR. HANS MEYER.

BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT.

LEIPZIG, DEN 3.1.94.

Lieber Vater

Die beiden prachtvollen Tropenlandschaften, die Ihr uns freundlichst verehrt habt, werden eingerahmt und aufgehängt; es sind wirklich die charakteristischen Tropenbilder, die ich kenne. Vielen Dank dafür und für die liebe Beigabe Deines eigenen Bildnisses, das Lisbeth für ihr Spezialeigenthum erklärt hat. ||

Mein Schatz möchte nun gern wissen, wann Ihr zu uns kommt. Die Wahl der Wochen ist nämlich nicht mehr sehr gross, da wir im Februar, unmittelbar nach Deinem Geburtstag, verreisen wollen, und zwar – höre und staune! – nach den Kanarischen Inseln!!

Wir wollen von Jena aus am 18. Februar direkt nach Marseille fahren, von dort mit dem Küstendampfer in beschaulicher || Langsamkeit an der spanischen Küste entlang (Barcelona – Tarragona – Valencia – Alicante – Cartagena – Almeria – Malaga) nach Gibraltar, mit Abstechern landeinwärts nach Granada, Cordoba, Sevilla, und endlich von Cadiz oder von Lissabon aus via Madeira nach Tenerife.

Dort will ich am und auf dema Piek eingehender die verschiedenen Höhenregionen klimatologisch, meteorologisch, geologisch und pflanzengeographisch studieren, um || später eine kleine Monographie über den Piek zu schreiben. Dann wollen wir den beiden Inseln Gran Canaria und Palma einen Besuch abstatten, wobei ich es namentlich auf eine hübsche Guanchen-Sammlung abgesehen habe, und gegen Ende April reisen wir schliesslich direkt nach London und wieder heim. Anfangs Mai muss ich wieder im Bibliographischen Institut sein.

Wenn wir 3 Wochen auf die spanische Reise und auf die Ueberfahrt nach den || Kanaren rechnen, was vollauf genug ist, so bleiben uns 7 Wochen für die Inseln selbst und 1 ½ Wochen für die Rückreise; und da lässt sich schon (bei meiner Reisepraxis) recht viel machen.

Die neuste Litteratur über unser Reisegebiet habe ich bereits durchgesehen, insbesondere Löher, Christ, Greef, Bolle. Aber vielleicht hast Du oder weisst Du || noch manche andre bemerkenswerthe Publikationen, die über Humboldt und Leopold von Buch hinausgehen. Und aus Deiner eignen Erfahrung möchte ich natürlich noch vieles schöpfen, was nicht in Büchern steht. Zu alledem ist es nöthig, dass ich mündlich mit Dir konferiere. Kommt Ihr also erst Ende Januar oder gar Anfang Februar hierher, so komme ich mit Lisbeth vorher noch einmal nach Jena.

Sehr wichtig ist mir die Kenntnis || einer zuverlässigen Adresse, an die ich meinen photographischen Apparat, Messinstrumente, Pflanzenpapier und dergl. vorausschicken kann; von unserem persönlichen Gepäck trennen wir uns natürlich nicht. Und in diesem Punkt kannst Du mir vielleicht gut rathen. Auch weisst Du vielleicht, an wen man am besten seinen Creditbrief richten lässt.

Diese beiden Adressenfragen bitte ich, wenn Du kannst, recht bald zu || beantworten, damit mein wissenschaftliches Rüstzeug möglichst bald direkt von Hamburg oder Bremen dorthin abgehen kann.

Eigentlich wollten wir Euch mit unsern schönen Plänen erst später überraschen, aber in diesem wie in vielen anderen Fällen sind Ueberraschungen nicht gut angebracht, und deshalb heute schon diese Mitteilung.

Hoffentlich findet sie Euern Beifall! In dieser Hoffnung senden Euch die herzlichsten Grüsse

Euer getreues Paar: Liese und Hans.

a eingef.: und auf dem

Brief Metadaten

ID
35790
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
03.01.1894
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
12,4 x 20,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35790
Zitiervorlage
Meyer, Hans an Haeckel, Ernst; Leipzig; 03.01.1894; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35790