Heinrich Haeckel an Ernst Haeckel, Jena, 11. Oktober 1895

Jena, 11. X. 95.

Mein lieber Onkel und Patient!

Mit großer Freude habe ich aus Deinem Brief, für den ich bestens danke, erfahren, daß die Übersiedelung nach Baden-Baden glücklich vonstatten gegangen ist, und sich unter dem wohlthuenden Einfluß des herrlichen Herbstes die Kurve des Wohlbefindens in einer erfreulichen Höhe hält. Da ist zu hoffen, daß sie den Rest des jedenfalls noch recht langen Aufenthalts des Tarsomelena und Lemuraviden-Abkömmlings auf diesem Planeten sich nicht blos| auf der jetzigen Höhe hält, sondern andauernd noch steigt. Es würde zu weit führen, auseinanderzusetzen, wie man das vorhersagen kann – sicher aber ist, daß sich die Sache folgendermaßen gestalten wird:

[Skizze: Steigende Kurve des Wohlbefindens im Zeitraum 21.07.1895 bis 16.02.1934]

Da die Heilkunde im Anfang der menschlichen Cultur ausschließlich in Händen von Priestern ruhte und in nächster Beziehung zur Gottheit stand, so ist bei der allmählich eingetretenen Arbeitstheilung doch wenigstens letztere Beziehung erhalten geblieben, und so hoffe || ich, daß Du an der Richtigkeit meiner Prophezeiung nicht zweifeln wirst.

Ihr scheint die Sonne mit nach Baden genommen b zu haben; denn seit eurer Abreise ist es hier sehr wechselndes Wetter, das mich aber doch nicht abhalten soll, morgen nach Friedrichroda zu fahren, um ein paar Tage in den herbstlichen Wäldern herumzustreifen. Ich denke, das ist besser, als nach München zu fahren. Friedel ist aus Potsdam wieder zurück und hat Vater sehr munter angetroffen. Hier ist noch tiefe Ferienstille, Deine Freunde lassen Dich bestens grüßen und Dir gute || Besserung wünschen. Ich bitte, daß Du mich recht bald mit der Nachricht erfreust, daß der letzte peinliche Rest der Prüfung, den Du in Gestalt der Wunde der Sohle noch zu tragen hast, geschwunden ist, damit Du dann sogleich die Extension im Fußgelenk üben kannst. Die Gnade des gasförmigen Wirbelthiers und die wohlthätige Wirkung des badener Wassers wird es hoffentlich baldigst so weit bringen. Mit den herzlichsten Grüßen an Tante und Emmchen – nein, bitte um Entschuldigung, an Emma

Dein treuer Leibarzt und

ungerathener Neffe

Heinrich

a irrtüml. für: Tarsolemuren; b eingef.: zu

Brief Metadaten

ID
35611
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
11.10.1895
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,3 x 18,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35611
Zitiervorlage
Haeckel, Heinrich an Haeckel, Ernst; Jena; 11.10.1895; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35611