Heinrich Haeckel an Ernst Haeckel, Stettin, 14. Februar 1898

Stettin, 14. II. 98

Lieber Onkel!

Zum 16. sende ich Dir meine allerherzlichsten Glückwünsche in der Hoffnung, daß die neue Behandlung von Tante und Emma eurem Hause in jeder Hinsicht die gewünschten Erfolge bringen möge. Mir scheint die Sache sehr gut so zu sein, wie ihr es jetzt eingerichtet habt. Ich kenne Ziehen als einen ganz außergewöhnlich gewissenhaften und tüchtigen Arzt und habe immer seine Exaktheit der Vorschriften und Con|sequenz in Überwachung derselben bewundert. Bitte ihn bestens zu begrüßen. Daß Emma eine Zeit weg ist, halte ich für sehr glücklich.

Zur Feier Deines Geburtstages habe ich meinen Geschenke-Schrank aufgethan und erlaube mir die folgenden Kunstwerke zu senden:

1) eine Ansicht von Stockholm

2) ein vollständiges Prachtwerk aller berühmten Schönheiten schwedischer Landschaft 3) als Erinnerung eine Beschreibung der skandinavischen Halbinsel {1. u. 2. habe ich Dir schon| in Stockholm überreicht und Dich nur nicht für die russische Reise belasten wollen – ich rechne aber bestimmt darauf, daß Du das schon vergessen hast. 3. gehört Johannes Walther – dafür kann ich doch aber nichts!} Endlich einen Holzschnitt, der in merkwürdigster Weise zeigt, wie große Ereignisse ihren Schatten schon Jahrhundertelang voraus werfen: das, was bei meinem Eintritt in Bethanien vor sich ging, siehst Du auf dem Kunstblatt dargestellt; aus sehr begreiflichen und löblichen Rücksichten hat der Künstler nur die 50 Schwestern, das Mädchenpensionat| und das „Magdalenestift“ mit den gefallenen Mädchen fortgelassen – die mußt Du Dir also noch dazu denken.

Für Deine Geburtstagswünsche und -sendung sage ich Dir herzlichsten Dank. Gregorovius hat mich ganz besonders erfreut und wird, denke ich, dazu beitragen, den Übertritt in das folgenschwerste Jahr meines Daseins zu erleichtern. Denn da jetzt, wie Du bestimmt hast, das letzte Jahr im Cölibat anbricht, so ist mir düsterst bedenklich zu Muthe. Ich denke, ich werde es so machen, wie die Steuerleute auf den Segelschiffen, welche die Schiffsapotheken verwalten.| Für die gewöhnlichen Krankheiten haben sie ein Verzeichniß der anzuwendenden Medikamente. Kommt nun aber etwas vor, das nicht in der Tabelle steht, so schließen sie die Augen, greifen blindlings in den Schrank und sagen: Gott segne den Griff. So werde auch ich mir bei der Wahl meiner lieben Frau die Augen verbinden, falls Anna es nicht selbst thut, und hoffe daß Gott auch meinen Griff segnen wird.

Abgesehen von diesen belastenden Sorgen geht es mir gut. Meine| Thätigkeit wächst, und mit zunehmender Freude schaffe ich im Großen; es ist etwas herrliches, nicht mehr fünftes Rad am Wagen zu sein!

Mit herzlichsten Grüßen an Tante Agnes, der ich nächstens schreiben werde, und besten Wünschen zum Geburtstag

Dein stets dankbarer

Heinrich.

Brief Metadaten

ID
35599
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Polen
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
14.02.1898
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
3
Format
14,0 x 22,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35599
Zitiervorlage
Haeckel, Heinrich an Haeckel, Ernst; Stettin; 14.02.1898; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35599