Stettin, d. 3. XII. 01
Liebster Onkel!
Das neue Heft der „Kunstformen“ und die malayischen Reisebriefe in der neuen schönen Buchform habe ich mit herzlichem Dank erhalten und mit großer Freude Beides studirt – das beste Zeichen liefern die beiden Sachen dafür, daß die Reisen Deiner unermüdlichen Arbeitslust nichts haben anhaben| können. Auch Dein guter Humor scheint nach den Berichten von der münchner Hochzeitsfahrt nicht gelitten zu haben: ich konnte mich leider nicht gut losmachen, sonst hätte ich gern Walthern mit unter die Haube gebracht.
Mein Specialcollege hier vom städtischen Krankenhaus, Schuchardt, ist einer schweren Infection, die er sich bei einer Operation zugezogen,| in erschütternder Weise erlegen, genauso wie mein Vorgänger vor 5 Jahren von Bethanien – ein ernstes Memento, wie sehr man bei unserem Metier seine Haut zu Markte trägt.
In Bethanien sowohl wie in meiner Praxisklinik habe ich sehr flotten Betrieb, hier und da unterbrochen durch eine Consultationsfahrt aufs Land oder nach Berlin, wie kürzlich, um Onkel Paul| oder meinen Bruder Georg, der kürzlich aus Strassburg da war, zu sehen; sonst gleichmäßige Tretmühle des Berufs, so daß ich mich auf einige Festtage zu Weihnachten bei Hahns in Lichterfelde freue. Alt Tante Bertha sah ich neulich ganz frisch, aber körperlich schwerfälliger.
Grüße bestens Villa Medusa und sei selbst herzlichst gegrüßt von Deinem
dankbaren Neffen
Heinrich