Heinrich Haeckel an Ernst Haeckel, Stettin, 15. Juli 1902

Stettin, 15. VII. 02

Liebster Onkel!

Besten Dank für Übersendung der Zuschrift vom Eckstein- Verlag. Es handelte sich um ein Bild für eine Ärzte-Gallerie, wozu Eckstein meine Photographie haben wollte.

Ich bin seit 1. Juni am städtischen Krankenhaus und recht zufrieden mit dem Wechsel. Zu meiner Freude sehe ich, daß meine Befürchtung, dort weniger operative Fälle zu haben, nicht eintrifft.

Auch die Ärzte aus der Provinz schicken mir ihre Patienten in die neue Anstalt, Viele kommen von selbst mir nach, so daß ich eine mindestens ebenso interessante Thätigkeit habe, wie in Bethanien. Ich freue mich, die widrige Weihrauchsatmosphäre der Betbrüder loszusein und in vernünftigen Verhältnissen einer liberalen Stadtverwaltung zu wirken.

Allerdings komme ich jetzt, so bald nach meiner Übersiedlung, schlecht fort, so daß ich meinen Besuch in Jena fürs Erste nicht ausführen kann. Zu|dem ist es immer eine mißliche Sache, an einen Ort zurückzukehren, wo man sich einmal sehr wohl gefühlt hat. Man zieht Vergleiche zwischen dem, was man gewesen ist, und dem, was man aus sich hätte machen können, man findet Alles anders, als da „man selbst im Werden war“, jedenfalls kommt man zu einem Besuche, nur wenn man mehrere Tage zur Verfügung hat – und die kann ich jetzt nicht weg, da mein College von der inneren Abtheilung verreist ist. Ich hoffe aber Ende August oder Anfang Septem|ber Ferien zu machen – und da ist wieder Niemand in Jena. Vielleicht sehen wir uns in Südtirol; es ist nicht unmöglich, daß ich dahin gehe.

Es freut mich sehr zu hören daß es Tante Agnes gut geht; hoffentlich hält das Stand. Grüße sie bestens, ebenso dann Lisbeth und Emma.

Treuestens

stets Dein

Heinrich

Brief Metadaten

ID
35553
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Polen
Datierung
15.07.1902
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35553
Zitiervorlage
Haeckel, Heinrich an Haeckel, Ernst; Stettin; 15.07.1902; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35553