Stettin, 1. I. 19
Liebster Onkel!
Am ersten Tage des neuen Jahres sende ich dir herzlichste Grüße – Gutes kann man von ihm nicht erwarten, auch nicht Besseres, als das eben vollendete über alle Maßen traurige gebracht hat, vielmehr ist zu befürchten, daß mit zunehmender Menge der Arbeitslosen und zunehmender Frechheit der Randvölker das Elend erst recht kom||men wird. Nie wohl hat ein Volk einen Sturz aus höchster Höhe so plötzlich in entsetzliche Tiefe gemacht. Da ist wahrlich Bardeleben zu beneiden, der das ganze Elend nicht mehr mitzuerleben braucht. Wenn er auch nicht zu den Leuchten zählt, war er doch ein ordentlicher, anständiger Kerl, der dir und mir sehr zugethan war.
Ich hätte Dir gern noch || mehr an Fett, besonders auch Speck, geschickt, allein einstweilen ist es auch bei mir damit sehr im Argen; wenn ich aber 1919 kann, sende ich noch etwas davon.
Ich bin froh, in dieser dumpf-lastenden Zeit reichlich zu thun zu haben, um die quälenden Gedanken um unser tragisches Schicksal zu bannen. Hier war || es auch in den kritischsten Tagen ruhig, selbst die Arbeiter- und Soldatenräthe sind hier anständig – aber in Berlin möchte ich nicht sein. Ich zweifle nicht, daß Deutschland noch einmal wieder hochkommt – aber wann? ich fürchte, ich werde es nicht mehr erleben – ohne daß ich, wie der Sohn vom alten Leist, freiwillig aus dem Leben scheiden werde. Mit herzlichsten Grüßen in alter Liebe dein getreuer
Heinrich