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Lieber Bruder.
Du denkst gewiß, ich vergesse Deiner ganz. Aber seit Du fort bist, habe ich so fleißig in restibus gemacht, daß ich nicht viel an andre Dinge habe denken können.
Daß wir die liebe Alte wieder hier haben freut uns sehr. Sie ist aber doch ein gar zu aufopferndes Wesen. Soll vorgelesen werden, so liest sie stets; ist sie unwohl, so sagt sie‘s nicht; soll etwas geholt werden, ist sie die erste. Wir suchen es ihr hier nach Möglichkeit abzugewöhnen, so lange wir noch in statu quo sind, id est so lange homunculus noch nicht da ist. Mutter behauptet, es (er?! sie?!) käme zum 22st.! – Nun, es weiß keines woher! Mimmi befindet sich überhaupt ganz wohl und ist sehr galant im Domino-Spiel, das beinahe täglich eine halbe Stunde lang gespielt wird. Sie verliert immer u. da wir stets um ein „Mittagsessen“ spielen, muß sie allemal den folgenden Tag eines bereiten. Gestern wurde Deiner bei einem delikaten Apfelkuchena viel gedacht. Wir haben überhaupt sehr schönes Obst aus Gertewitz.
Unserm lieben Vater geht es ja ganz gut in Berlin und Bertha hält ihm ganz wohl || Haus. Er liest Dir in der Beilage zu seinem langen Briefe eine Epistel die Du wohl beherzigen magst. Er weißt doch sehr richtig darauf hin, daß eine solche Sonderlingslebensweise namentlich auch nicht mit den Grundsetzen der Religion in Einklang steht. Mach, liebster Bruder, daß Du diese Zurückgezogenheit aufgiebst, sei weniger verschlossen weniger zugänglich für Andere, so wirst Du auch eher einen recht innigen Freund finden.
Doch genug. Die Termine rufen.
Mit herzlicher Liebe und Freundschaft
Dein Karl
[Nachschrift von Charlotte Haeckel]
Mein lieber Ernst! so lieb es mir ist, daß Deine Stube Sonne hat, so wünschte ich doch, Du hättest eine besondere Schlafstube. Kannst Du die nicht etwab noch miethen? Sonst bringe nur keine zu starken Gerüche in Deine Stube, mache darin keine Experimente, lüfte vor Schlafengehn. –
a gestr.: Pflaumen; eingef.: Apfel; b gestr.: s