Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Pallanza, 21. April 1895

Pallanza 21. April | 1895.

(Sonntag)

Lieber Bruder!

Seit vorgestern Abend bin hier, an dem herrlichen „langen See“, wohl aufgehoben im Grand Hôtel Pallanza, wohin mich mein Freund Marquardsen dirigirt hatte, und freue mich der schönen See- und Bergluft, wenn sie auch zeitweis noch ziemlich kühl ist: im Schatten nur etwa 12°. Das Frühjahr ist in diesem Jahre hier ein ausnehmend spätes, wenig dem unsrigen voraus. Unterwegs sah ich diesseit der Alpen kaum einige Blüthenbäume u. nur spärlich frisches Grün. Hier ging gestern ein Stück den Monte Rosso hinauf, durch eben erst grün gewordenen Maien u. eine Kastanienallee, deren Blätter sich erst vor kurzem entfaltet haben können, etwa Handlang sind u. die noch nicht blühen. Die höheren Berge haben noch durchgängig | Schneedecken oder doch Schneestreifen an ihren Gipfeln.

Heute Mittag ist Marquardsen mit Frau nach Cadenabbia am Comer See abgedampft. Er muß am 29t dieses Monats wieder in Berlin sein und hat vorher noch zu Hause zu thun. Sein Sohn, kränklicher Arzt, wird noch wieder hierher kommen. Ich habe durch Marquardsen einige angenehme Bekanntschaften gemacht; Professor Vaatier aus Düsseldorf, den Bekannten Generemaler und einen Kaufmann Mayer aus Stuttgart. Denke doch ein bis zwei Wochen hier zu bleiben. Im Regen kam ich an; aber jetzt scheint sich wärmeres Wetter halten zu wollen. Beim Steigen wurde mir gestern die wärmere Kleidung lästig.

Ich denke dann zunächst an den Comer See zu gehen, – wenn ich nicht noch einige Tage in Fresa bleibe. Schreibe mir doch umgehend, || bei welchem Wirth (den Du so lobtest) Du in Tremezzo logirt hast? Ebenso von Locarno und wo Du im Maggia Thale Dich aufgehalten hast. Ich will sehen, ob ich dort bei dieser Jahreszeit etwas unternehmen kann. Wo nicht, so gehe ich nach dem 4Waldstätter/Gersau oder wenn möglich Kloesterli). Länger als bis zum 27 Mai bleibe ich nicht fort u. dachte auf dem Rückwege bei Dir vorzusprechen. Was machen die Söhne? Wie geht es Agnes?

Mit herzlichem Gruß

Dein treuer

Karl

NB Von Deinen Zinsen habe ich vor der Reise 1000 M. anlegen können, da die Northern Pacific II. wieder welche gaben.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
21.04.1895
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35305
ID
35305