Potsdam d. 15 Februar 1892
Lieber Bruder!
Um Dir meinen herzlichen Glückwunsch zum neuen Lebensjahre zu sagen, erhältst Du diese bescheidne Sendung in der Hoffnung, daß deren Inhalt Dir einige heitre Nachtisch-Stunden bereiten wird.
Du hast ein ereignißreiches Jahr hinter Dir; möge das neue in ruhigem Verlaufe Dich und Agnes frisch erhalten und Euch vor schwerer Krankheit bewahren. Möge das frisch || aufblühende Eheglück der Lisbeth auch Euch Freude bringen ins Haus. Denn die Bahn von Leipzig nach a Jena wird doch von beiden so manchmal benutzt werden, um die Bewohner der Villa Medusa und die der jungen Frau ans Herz gewachsenen Saalberge zu besuchen. Vor allem wünsche ich, daß sie beide recht munter von der etwas lang ausgedehnten Reise zurückkommen mögen. Nach meinem Geschmack thaten sie bei dieser Jahreszeit und dem Winter besser, früher in das || eigne Heim zu dessen Einrichtung heimzukehren. Freilich haben sie dagegen den Vortheil, dem um diese Zeit wohl auch in Leipzig üblichen Geselligkeitstrubel entgangen zu sein.
Was macht denn das Nesthäkchen, das ich bestens zu grüßen bitte? und kommt Walter öfters zu Euch herüber?
Von den Meinigen kann ich Dir nicht viel Neues melden. Julius sitzt über seiner ersten Examensarbeit. Friedel ochst fleißig Odyssee u. von Hermann habe ich die Nachricht, daß er in eine bessre Wohnung – 1 Treppe hoch am Markte − übergesiedelt ist. ||
Tante Bertha ist munter, geht aber wenig aus. Nach dem Umzuge erwartet sie im Frühjahre Louis Mulders.
Was sonst hier passiert ist, wirst Du in dem dieser Tage bei Heinz eintreffenden Rundreisebriefe erfahren.
Mit herzlichen Grüßen
Dein treuer
Bruder
C. Haeckel