Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 21. September 1891

Potsdam 21 Septbr | 1891.

Liebes Bruderherz!

Vielen Dank für Deinen so herzlichen Geburtstagswunsch, der schon am Sonnabend eintraf. Ich werde Deinen guten Rath, der ja mit den Wünschen meiner Kinder übereinstimmt, in reifliche Erwägung ziehen, habe ich doch selbst zuerst an das In-Pension-gehen gedacht. Aber vor allem muß ich abwarten, wie es mit dem Examen der beiden Referendarien ausfällt. Einer wenigstens muß mir aus der Tasche sein, ehe ich an Niederlegung des Amtes denken kann.

Der gestrige Tag verlief recht nett; auf einen Frühspruehregen und schwüle Luft folgt unerwartet ein schöner Mittag u. Nachmittag. Als Gäste zum Mittagessen (3 Uhr) fanden sich außer || Familie Hahn (beide Küken mit!) das Ehepaar Richter, Schwager Heinrich Sethe mit Frau u. Tochter (der Egyptologe ist noch auf Reisen), Frau Christ aus Bonn mit 2 Töchtern a und mein Julius, der die Bonner Vormittags umhergefahren hatte, ein. Julius war mit ihnen 14 Tage bei Helene in Heringsdorf zusammen. Nach Tisch kamen noch zum Kaffee Gustav Boesche mit Frau (geb. Weber) u. Dr. Weber der Sohn meines Freundes Prof. Albrecht Weber in Berlin, den Du ja auch kennst (Letzterer ist mit Frau seit wenigen Tagen in Baden-Baden, auch zur Kur, wohnt Sophienstr. 19 bei Seffner?); suche doch Weber’s mal auf und grüße sie von mir). Wir saßen Nachmittags auf dem Altan bis Sonnenuntergang, dann im Gartenhause; bis die Gäste gegen 9 Uhr nach u. nach sich entfernt hatten. Ich dachte viel der alten || Zeiten, so der ersten Hochzeit, bei der ja die Christ noch als Mädchen war. Sehte’s haben eine sehr gelungene, vom schönsten Wetter begünstigte Rheinreise vom 26/8-15/9 gemacht, sich 8 Tage in Bonn, 2 Tage in Rüdesheim aufgehalten, Heidelberg und Frankfurt a/M besucht, und sind mit den Bonner Verwandten u. den Christ’schen Söhnen (ein Assessor in Andernach, ein Referendar in Bonn) viel zusammen gewesen, haben auch in Bonn in der Christ’schen Wohnung, in der noch eine Tochter zurückgeblieben war, gewohnt. Den Heringsdorfer Gästen ist es auch gut gegangen; sie haben mit Julius u. A. auch einen netten Ausflug nach Rügen, Stubbenkammer, gemacht. Richter’s waren ein Paar Wochen in der Sächsischen Heimat gewesen, das Boesche’sche Ehepaar in Thüringen mit einem Ausflug nach Frankfurt a/Main, zu Mutter Boesche, die || mit ihren Töchtern in Lohrsbach im Taunus in Sommerfrische sitzt. So wandert doch alles in der schönen Sommerzeit zur rechten Erholung aus dem Winterheim heraus und erholt sich für den kommenden Winter, der wohl nicht lange wird auf sich warten lassen. Auch meine Collegen sind alle wieder hier u. die strammere Arbeit nach beendigten Ferien hat wieder begonnen. – Wer bei uns Direktor wird, ist noch unbekannt; aber wir erwarten täglich die Ernennung, vielleicht noch zum 1. October oder doch Anfang November.

Dir, lieber Bruder, wünsche ich eine recht erfolgreiche Kur u. ferneres gutes Wetter dazu. Reise nur nicht zu früh ab, sondern mache Dich erst vollständig lauffähig! – Der Aufenthalt der Deinigen in Thale soll ja sehr angenehm sein!

Mit herzlichem Gruß

Dein

treuer Bruder

Karl.

Die Geldangelegenheit besorge ich nach Anweisung!

a Einfügung gestr.: aus Bonn

Brief Metadaten

ID
35270
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
21.09.1891
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35270
Zitiervorlage
Haeckel, Karl an Haeckel, Ernst; Potsdam; 21.09.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35270