Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 30. Januar 1890
1.)
Potsdam | 30 Januar | 1890.
Lieber Bruder!
Ich habe dir lange nicht geschrieben; es war aber auch theilweise viel vor; laß Dir das von Heinz mittheilen, wenn er das vorgestern an Georg abgeschickte Tagebuch von Karlsruhe her bekommt.
Jetzt schreibe ich, um Euch die ihr aus verschiedenen triftigen Gründen nun doch nur durch Eine Vertreterin bei der Nichtenhochzeit repräsentirt werdet, vorzuschlagen, die Lisbeth gleich bis zu Mieze’s Hochzeit hier in Berlin zu lassen. Sie sollte ja ohnehin einmal bei uns einige Wochen sein. Nun macht sich doch das am besten, so lange meine Marie noch zu Hause ist. Und Tante Bertha sieht sie ja auch gern mal auf einige Zeit || bei sich. Ueberlege das doch bald u. schreibe. Sie ist uns jederzeit willkommen u. Platz für ein verwandtes Weibliches Wesen ist hinreichend bei uns.
Mieze’s Hochzeit ist jetzt auf den 2t Ostertag, 7 April, festgesetzt, wo Du leider wohl im afrikanischen Süden sein wirst. Kannst Du nicht über Berlin-Potsdam-Hamburg nach Algier reisen? Dann sähest Du doch die Mieze noch als Braut! – Hahn’s können wegen der Schule nicht gut vor Anfang April hochzeiten, u. auch das Quartier wird kaum eher frei in Steglitz, wo sie definitiv vom 1 April ab gemiethet haben. Mieze ist eifrig mit Ausstattungsbeschaffungen beschäftigt. Wenn sie auch eine eingerichtete Wirthschaft findet, so bedarf diese doch mancher Ergänzungen. Mit Hahn sieht sie sich ein paar Male in der ||
2)
Woche. Die Verlobungsfêten müssen wir förmlich abwehren, und doch lassen sich manche Einladungen nicht gut ablehnen, so am nächsten Sonnabend bei J. R. Stoepel und zum 6t Februar bei meiner Schwägerin Lisco. –
Mein Ernst ist noch hier, tritt zu Anfang Maerz oder sobald das Frühjahr aufgeht, eine Gehülfenstelle in einem Landschafts-Gärtner-Geschäft in Berlin an. Hermann war 2 Tage hier in der vorigen Woche, hat Absage von der Koenigsberger Stelle erhalten, weil ein botanischer Gärtner vorgezogen ist, der schon länger in dieser Branche gearbeitet hat. Auch mit einer Stadtgärtnerstelle in Hannover ist es nichts. Uebrigens haben sich für ihn die Aussichten in der Provinz Sachsen für spätere Zeiten gebessert. Die Provinz wird für die Gärtnerei mehr thun als bisher.
Was macht denn mein Heinz? Wie || lange schläft denn seine Arbeit im Arme der Fakultät? Wird er dann nicht noch vor Ablauf des Semesters sich habilitiren können, damit er doch in den Katalog des Sommersemesters und – in die Zeitungen kommt. Zu Königs-Geburts Tag traf ich seinen Freund Lewald; er hatte mit Vergnügen einen Theil der Habil. Schrift gelesen.
Von Georg hatte ich gute Nachrichten; er denkt doch zur Hochzeit der Schwester kommen zu können, dasselbe hoffe ich von Heinz. Wann Julius wieder hier einrückt, ist noch nicht entschieden. Der Arme quält sich diesmal recht mit seinem Uebel.
Mit dem Ersatz-Fräulein für Marie, welches seit 14 Tagen hier ist, scheint es sich gut zu machen, was mir ganz recht ist. Friedel zärgt sich viel mit Ernst herum; oder vielmehr Letztrer mit Ersterem. Sonst sind wir Gott sei Dank ohne Influenza, u. auch das aEvchen in Lichterfelde ist wieder munter. Die Kinder kommen Mitte Februar ganz zu uns, da Frl. Defert dann nach Quedlinburg in ihre neue Stellung geht.
Mit viel herzlichen Grüßen Dein alter treuer Bruder
Karl
Hast Du keinen Buch-Wunsch zum 16. Februar?? –
a weiter am Rand v. S. 4: Evchen in Lichterfelde…neue Stellung geht.; b weiter am Rand v. S. 3: Mit viel herzlichen…zum 16. Februar?? –