Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 30. September 1888
Potsdam 30 Septbr
1888.
Lieber Bruder!
Eine große Veränderung in unsern häuslichen Verhältnissen muß ich Dir doch sogleich mittheilen. Ich habe so eben für Mutter statt eines Dienstmädchens eine anspruchslose Gesellschafterin engagirt, die schon nächsten Donnerstag antritt.
Die Schwester der Emma ist ein zu wunderliches u. verkehrtes Wesen; wenn sie auch seit 1 April die Stelle der Schwester nothdürftig ausfüllte, so kam doch auch Marie ebenso wie Mutter mehr u. mehr zu der Ueberzeugung, daß es auf die Dauer mit ihr nicht gehe. Nun machte sich’s vor 4 Tagen ganz rasch, daß bei einer Scene sie um sofortige Entlassung bat und ich, nach Rücksprache mit Mutter darin willigte. Weiter || überlegte ich mit Marie, ob es nun nicht an der Zeit sei, Mutter eine angemessene Stütze zu verschaffen. Ich schlug das Mutter vor; sie ging, doch wohl auch im Gefühl ihrer zunehmenden Schwäche, ohne Weiteres darauf ein. Tags darauf schlug uns Frau Lisco eine zufällig grade außer Stellung befindliche ältere Dame in den 40rn dazu vor. Heute habe ich dieselbe, die sehr gut empfohlen ist, hier gesprochen u. nachdem ich sie Mutter vorgestellt, mit ihr abgeschlossen. Sie trifft am Donnerstag wieder hier ein, ist ein Frl. Rühs aus Stralsund u. schon in ähnlicher Stellung bei einem alten Herrn gewesen in Charlottenburg. Sie erhält außer freier Station 400 M die ich ihr gebe, Mutter giebt mir für sich selbst u. sie ein höheres Kostgeld. Von dem || was ich dem Frl. gebe, weiß Mutter nicht. –
So viel zu Deiner Orientirung. Du kommst wohl nun bald nach Berlin. Habe Dank für Deinen Geburtstagsbrief, ebenso Heinz, den ich zu grüßen bitte.
Wir haben eine gründliche Schwudderwoche hinter uns 2 Polterabende und 2 Hochzeiten hintereinander (Gustav Boesche mit Frl. Weber – und Marie Stoepel mit Leutnant von Suter).
Auf Wiedersehen in Eile
Dein
treuer Bruder.