Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 29. März 1889

Potsdam 29 Maerz

1889.

Lieber Bruder!

Diese Zeilen sollen die Sendung von 1000 M. an Deine Gattin begleiten u. von da zu Dir nach dem warmen(?) Italien u. dem vielgenannten Eilande Elba gehen, in dem Du Dich zur Zeit wohl noch sehr wenig mittelmeerisch-warm fühlen wirst. Tröste Dich mit uns; auch bei uns ist der Winter auf Einem Beine immer noch da; auf einen schönen Tag, wie der gestrige mit himmlischer, wenn auch kühler Frühlingsluft ist heut wieder ein trüber, rauher gefolgt. Die warmen Tage lassen immer noch auf sich warten. Ich habe den Winterüberzieher noch nicht abgelegt und das Kohlenfeuer in meinem Ofen glüht noch lustig weiter, ohne mir die Stube zu überhitzen. Du wirst vielleicht diese behagliche Stubenwärme auf Deinem Mittelmeersitze oft herbeisehnen. Nun, vielleicht kommen bald wärmere Tage, so lange Du dort noch bist; denn Du bleibst doch bis Ende April? –

Hier habe [ich] in den letzten Wochen immer tüchtig zu thun gehabt. Mit 1 April wird die Arbeit wohl etwas abnehmen. Präsident von Seydewitz und Direktor Lutterbeck (erst kürzlich ernannt, älterer Direktor, wenn auch jünger als 3 von uns Räthen) werden dann eingeführt u. sollen beide liebenswürdige Vorgesetzte sein. Die beiden bisherigen, Sello und Herms haben wir am Sonnabend feierlich weggegessen. ||

Vor 14 Tagen haben wir den Riesauer Spuk abgeurteilt. Das Erkenntniß machte noch manche Stunde Arbeit; da der Minister die Akten eingefordert hat, auch Revision eingelegt ist, mußte es sorgsam ausgeputzt werden.

Man glaubt aber doch kaum, daß vernünftige Leute wie der junge Pastor M., an solche Hirngespinste, wie der spiritistische Spuk mit Bratpfannen- und Steinewerfen, glauben können. Und zu diesem Glauben bekennt sich der wunderliche Pastor aus voller Ueberzeugung, „seit er 4 spiritistische Schriften gelesen habe.“ –

Der Plan zum Hausumbau ist fertig; es fehlt nur noch der polizeiliche Consens zum Beginn. Der Sommer wird ungemüthlich werden: erst wird die Treppe ganz herausgerissen und danna eine neue Wand von Grund aus im Hause gezogen, um Platz für Closet, Badestube, Corridor zu gewinnen. Alte Schornsteine werden weggerissen u. 2-3 Stuben dann zeitweise unbenutzbar sein. Wünsche mir einen warmen Sommer, damit wir uns viel im Gartenhaus aufhalten können. Viel Kosten wird’s bei vieler zeitweiser Unbequemlichkeit, aber hoffentlich auch nett werden.

Aus der Familie wüßte ich nichts Neues. Vor 8 Tagen waren wir bei Helene Jacobi, zu voller Familientafel. Das Zusammensein ist seit der Aussöhnung doch viel angenehmer u. nicht so peinlich.

Deine Sachen besorge ich, wenn auch allmählig. Ich hatte jetzt zu vielerlei zu thun u. die häusliche Unruhe dazu. Daß die Möbel auch ohne Verpackung leidlich angekommen, ist mir eine Beruhigung. Mit viel Grüßen von allen

Dein

treuer Bruder.

a eingef.: dann

Brief Metadaten

ID
35205
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
29.03.1889
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
14,2 x 22,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35205
Zitiervorlage
Haeckel, Karl an Haeckel, Ernst; Potsdam; 29.03.1889; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35205