Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 15. Februar 1885

Potsdam 15 Februar

1885.

Lieber Bruder!

Meinen herzlichen Glückwunsch zu Deinem morgenden Geburtstag sage ich Dir hiermit, zugleich im Namen der hiesigen Kinder, die gestern bei Anna zusammen waren. Wir wollen hoffen und wünschen, daß in dem neuen Heim, in dem Du nun schon zum zweiten Male Deinen Geburtstag feierst, Euch allen die Gesundheit ferner erhalten bleibe und Du in Amt und Haus Freude am Leben haben mögest.

Bei meiner Anna ging es ja gestern leidlich heiter her. Ueber Mittag und Nachmittag hatten ihr einige Freundinnen gratulirt. Friedel war Nachmittag einige Stunden da und Abends waren Marie und ich dort.

Das kleine Lotting habe ich dann || nur schlafend gesehen. Es soll früh beim Aufbau allerliebst gewesen sein. Sie macht uns allen viel Freude und ist so recht der Sonnenschein des Hauses. Mit Anna’s Gesundheit geht es ja so leidlich. Seit einer Erkältung vor c. 3 Wochen bei dem Scharfen Winde nahm der Husten wieder zu, hat a aber doch in der letzten Zeit wieder nachgelassen. Der Appetit ist mäßig, die Stimmung im Ganzen gut.

Von unserm Mütterchen kann ich Dir nichts Neues schreiben. Sie klagte viel über den Kopf und ist jetzt betrübt darüber, daß sie nicht Tante Bertha sehen kann. Letztre ist seit einigen Wochen ernstlicher leidend an asthmatischen Beschwerden, die sich durch eine Erkältung noch vermehrt haben. bDoch darüber schweige in Briefen an Muttern; diese weiß nur von etwas Erkältung. Ich war Freitag Nachmittag drüben: Sie muß noch die Stube hüten, hofft aber bald wieder ausgehen || zu können. Ich fürchte, ihr Verkehr mit Mutter wird seltener werden. Und doch kann man auch letztrer nicht zu reden, herüber nach Berlin zu fahren. Kurz: wir laboriren schließlich alle am Aelterwerden. Ich merke es diesen Winter auch, bin viel trüber im Aufstehen, habe aber doch das Schlittschuhlaufen noch tüchtig getrieben, freilich nicht so, wie Mieze, die ungern einen Nachmittag aussetzt und der es auch gut bekommt. Heute will sie auf dem Wannsee laufen; wir sind zu Minna’s Geburtstag heute dort.

An Geselligkeit und Vorträgen fehlt es jetzt nicht. Morgen wird hier Freund Richter über die sozialen Wirkungen des Christenthums sprechen. Hinterher sind die Herren, die diese Vorträge fördern helfen, bei mir zu Abend versammelt. Da wird wohl auch auf das Wohl des Naturforscher-||Geburtstagskindes angestoßen werden. –

– Mit unsrer japanischen Mission geht es vorwärts. Pfarrer Spinner aus der Schweiz denken wir im Herbst hinzusenden. Er war kürzlich in Weimar, um sich dem Großherzog vorzustellen, u. in Berlin bei dem japanischen Gesandten Aoki. Unser Ritter wirkt recht eifrig für die Sache; wir haben hier neulich den hiesigen Zweigverein der doch in einem Jahre schon eine recht hübsche Summe aufgebracht hat, konstituirt.

– Ich glaube, ich habe Dir noch nicht gedankt für die in Inaussichtstellung einer Reise in das Südtyrol. Bin ich munter u. macht sich es sonst, nehme ich das sehr gern an. Nun wir werden ja wohl im April oder um Pfingsten uns hier sehen.

Meinen Jungen grüße schön. Er hatte einen ganz aufgeräumten Brief zu gestern an Anna geschrieben; darnach scheint es ihm ja ganz gut zu gehen.

Nochmals herzliche Grüße Dir u. all’ den Deinen von Deinem

treuen Bruder

Karl.

a gestr.: sich; b mit Einfügungszeichen eingef.: Doch darüber schweige…von etwas Erkältung.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35153
ID
35153