Hans Driesch an Ernst Haeckel, Zürich, 7. November 1890

Zürich, 7.XI.90.

Hochgeehrter Herr Professor!

Nachdem wir uns hier nunmehr etwas eingelebt haben und für den kommenden Winter im richtigen Gleise drin sein, erlaube ich mir, Ihnen ein Lebenszeichen zukommen zu lassen.

Von unserem Plane uns eventuell dauernd im Süden (Nizza oder Neapel) niederzulassen, sind wir nach einem vierwöchentlichen Aufenthalt (im September) in Lesina & an der Riviera völlig abgekommen. Lesina war ganz furchtbar trocken und heiss, ebenfalls noch Nizza; ausserdem erfuhren wir, daß letzterer Ort im Sommer || nur durchschnittlich 8-10 Regentage, Neapel aber bisweilen keinen bot. Verglichen mit diesem Sommerklima, ist aber das Klima von Ceylon & Java weit angenehmer; ein halbjähriger Wechsel des Wohnorts ist andrerseits auch nicht angenehm; somit bleiben wir bis auf Weiteres hier. Professor Lang und sein Assistent Dr. Fiedler sind uns mit grösster Liebenswürdigkeit entgegengekommen sodaß wir u. a. die verschiedenen Bibliotheken ohne Weiteres benutzen können (sind viel besser als wir dachten, allerdings wenig grössere Specialarbeiten). Gelegentlich des nächste Woche zua eröffnenden zoologischen Referirabends werden wir eine grössere Zahl der hiesigen Biologen kennen lernen; es nehmen u. a. die Professoren Stöhr & Klebs sowie diverse jüngere Docenten || & einige Prakticanten teil.

Mit dem Schlußheft meiner tektonischen Studien, das sehr kurz geworden ist – nur Antennularia – bin ich seit c. 2 Wochen fertig und habe bereits die Nachricht, dass es wol noch dieses Jahr erscheinen wird. Kürzlich hat Lendenfeld im Biologischen Centralblatt meine Arbeiten besprochen; die ziemlich nichtssagende Kritik scheint jedoch ausserdem auf grosse Oberflächlichkeit basiert zu sein, er hat sogar den Titel der einen Arbeit falsch und zwar völlig entstellt angegeben, so daß er sie gar nicht ganzb gelesen haben kann. –

Ziemlich beschäftigt mit dem Sammeln alles desjenigen, was über sogenannte Entwicklungsmechanik (Roux) und verwandtes bekannt ist, höre ich gleichzeitig einige mathematische Collegien am hiesigen ausgezeichneten Polytechnicum, eine alte Liebhaberei damit wieder auffrischend. ||

Mein Freund Herbst, der sich Ihnen einstweilen d. h. bis er Ihnen selbst schreiben wird, bestens empfehlen lässt, verfolgt seine Myriapodenuntersuchungen weiter (werden wol ziemlich ausgedehnt) und arbeitet an 3 Tagen chemisch.

Indem ich Sie bitte, mich Ihrer werten Frau Gemahlin, deren Gesundheit hoffentlich ganz wieder hergestellt ist, sowie allen Bekannten bestens empfehlen zu wollen bin ich

mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr dankbarer Schüler

Hans Driesch.

Falls Sie die Photographien nicht mehr brauchen, aber nur dann, bitte ich dieselben an die auf dem Couvert angegebene Adresse gelegentlich senden zu wollen.

a eingef.: zu; b eingef.: ganz

Brief Metadaten

ID
3514
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
07.11.1890
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,4 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3514
Zitiervorlage
Driesch, Hans an Haeckel, Ernst; Zürich; 07.11.1890; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_3514