Herbst, Curt

Curt Herbst und Hans Driesch an Ernst Haeckel, Nuwara Eliya, 27. Januar 1889

Nuwara Eliya d. 27. Januar 1889.

Hochgeehrter Herr Professor!

Von dem herrlichen Hochland von Ceylon aus, wo Sie vor 8 Jahren auf dem Pedro Falla Galla Ihren 48. Geburtstag feierten, erlauben wir uns, Ihnen unsre aufrichtigsten Glückwünsche zu Ihrem 56. Geburtstag zu übersenden. Möge Ihre fruchtbringende Thätigkeit noch recht lange der Wissenschaft in ungeschwächter Kraft erhalten bleiben!

Es wird Sie vielleicht interessiren, wie unsre Reise bis jetzt verlaufen ist, und was wir weiter zu thun gedenken. Ich will deshalb mit einer kurzen Aufzählung unsrer bisherigen Erlebniße beginnen; mein Freund wird die Fortsetzung liefern.

Auf dem schönen und bequemen Dampfer des Nord Deutschen Lloyd „Bayern“ langten wir nach einer || schönen und bis auf einige Tage ruhigen Fahrt, am 18ten Tage nach unsrer Abfahrt von Genua wohlbehalten in Colombo an. Wir benutzten die ersten Tage unsres Aufenthaltes dazu, die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten (besonders Museum) und die nähere Umgebung kennen zu lernen. Von Ihren Bekannten lernten wir Dr. Haly, Mr. Green und Herrn Scott kennen, welcher seinen ständigen Wohnsitz jetzt nicht mehr in Galle sondern in Colombo hat. Nur die Familie des Herrn Scott befindet sich in Winterthur, er selbst führt sein Geschäft auf Ceylon weiter.

Wenige Tage nach unsrer Ankunft in Ceylon machten wir einen kurzen Ausflug nach Kandy und dem schönen botanischen Garten von Peradenia, wo wir unsre Augen mit den schönen Formen der tropischen Flora ergötzten. Seitens des liebenswürdigen Herrn Dr. Trimen wurde uns eine sehr freundliche Aufnahme zu Theil.

Am 23ten December brachen wir nach Galle auf || in der Absicht 2 ½ Monate daselbst zu verweilen. Aus dieser langen Zeit wurden jedoch schließlich nur 4 Wochen, da wir uns die Fauna reicher vorgestellt hatten, als wir sie in Wirklichkeit fanden. Für die Fischerei an und für sich trafen wir die günstigsten Bedingungen an. Wir bekamen ein gutes Boot und fanden in einem muhamedemschen Fischer bald den Mann, der für unsre Zwecke geeignet war. Die Singhalesen konnten wir wegen ihrer ziemlichen Beschränktheit zum Fischen und zu den Handreichungen beim Arbeiten nicht gebrauchen. Wir haben sehr oft pelagischa gefischt, mehrere Male mit dem Schleppnetz gefischt (freilich ohne Erfolg) und oft die Korallenriffe zu Fuße abgesucht. Sehr viel erbeuteten wir durch Zerschlagen der Korallenstöcke (interessante Fische, Krebse, Apheliaceen und andere Anneliden, Nemertinen, Polycladen u. mehrere Exemplare von Balanoplossus). Besonders interessant ist aber die Entdeckung eines Ctenoplana-ähnlichen Thieres, dessen bloßer Anblick uns die Abstammung der Polycladen von den Cteno-||phoren als höchst wahrscheinlich erscheinen ließ. Freilich sieht man unter dem Mikroskop, daß das Thier noch sehr wenig Polycladenartiges an sich trägt. Es ist eine typische kriechende Ctenophore mit einer Menge schwarzer Augenflecken rings um den Körper herum. Was man an dem lebenden Thiere von der Organisation sehen konnte haben wir Prof. Lang geschrieben, der sich über das Wiederauffinden dieses wichtigen phylogenetischen Thieres sicherlich sehr freuen wird.

Unter den Thieren, die wir mit dem pelagischen Netz gefangen haben, befinden sich sehr viele kleine Medusen, darunter eine interessante Form mit 2 Tentakeln. Von großen Scyphomedusen haben wir nur eine sehr große Cyomea und eine Menge Exemplare einer Crambeside gesehen. Außerdem befinden sich in unsrer Sammlung einige sehr merkwürdige Larven, pelagische Anneliden etc.

Haben wir uns auch die Fauna der Bucht von Galle reicher vorgestellt als sie ist, so sind wir doch im großen und ganzen mit unsrer Ausbeute zufrieden. Nur die herrlichen Korallenbänke haben unsren Erwartungen entsprochen. Mit großem Entzücken haben wir bei Ebbe das Thierleben auf denselben beobachtet. ||

In Jena werden wir in den letzten Tagen des April wiedereintreffen. Das Weitere wird Ihnen Dr. Driesch mittheilen. Indem ich die Glückwünsche für den 16ten Februar nochmals wiederhole verbleibe ich

Ihr ergebener Schüler

Curt Herbst.

[Fortsetzung von Hans Driesch]

Hochgeehrter Herr Professor!

Fortfahrend, möchte ich zunächst unseren zweitägigen Ausflug von Galle nach Weligama, Matura und Dondera erwähnen, auf dem wir Gelegenheit hatten einen Teil der Ihnen so lieb gewordenen Plätze zu besuchen. Das alte Resthaus ist noch unverändert, wir fanden es recht gut; von den damaligen Leuten ist keiner mehr da, der alte Socrates soll nahe bei Galle wohnen und Ganymedes sich ebenfalls (als ziemlich loser Bengel, wie man sagt) in Galle herumtreiben, leider konnten wir keinen auftreiben.

Am 19. Januar fuhren wir mit einem Dampfer der Asiatic-Comp. nach || Colombo zurück (8 Stunden) um gleich darauf uns hierher zu begeben. Die Bahn fährt jetzt in 9 Stunden bis Nanuaya, von wo Nurellia in ¾ Std zu erreichen. Heute sind wir eine Woche hier, morgen geht’s nach Colombo zurück.

Die herrlichen Touren auf den Pedro, nach Horton Plain’s und dem Ende der Welt (jetzt gutes Resthaus mit Resthousekeeper; das alte ist von Elephanten niedergerannt, es steht nur noch eine Säule), die wir bei herrlichem Wetter ausführten, brauche ich ja nicht zu beschreiben.

Nach unserer beider Meinung ist das Hochland bei weitem das schönste von Ceylon, die herrlichen Urwälder sind wirklich sehr grossartig und schön. Im Tieflande stören die aufdringlichen, nirgends fehlenden Singalesen gar zu sehr die Ursprünglichkeit und den ruhigen Genuss abgesehen von Kandy, über welches ich Ihre Meinung nicht teilen kann; besonders der Lady Horton’s Walk ist nach meiner Meinung sehr schön. ||

Mein Freund schrieb schon, dass wir unsere zoologischen Studien früher als erwartet abgeschlossen, da wir wirklich nichts neues mehr fingen; von Ceylon kennen wir auch das wesentlichste; wir haben daher einen kühnen Entschluß gefasst:

am nächsten Donnerstag, den 30 Januar fahren wir mit dem „Melbourne“ der Menageries Maritimes nach Batavia ab, um 4-5 Wochen auf Java (besonders in der zoologischen Station von Sluiter und in Buitenzorg) zuzubringen; dann fahren wir nach Calcutta, nach Darjeeling (Himalaya) und zurück und dann über Benares, Delhi, Agra Jeypur nach Bombay, um von hier am 5 April mit dem oesterreichischen Lloyd direkt nach Triest zu fahren.

Aegypten haben wir aufgegeben; nach allem was wir hörten müssen der Himalaya und die alten indischen Städte derart großartig und einzig in ihrer Art sein, dass es schade wäre, sie, so nahe, nicht zu besuchen. Aegypten ist immer leicht erreichbar. ||

In 3 Wochen soll sich bei den vorzüglichen Verbindungen Nord-Indien sehr gut mit Musse besuchen lassen.

Prof. Stahl haben wir bereits geschrieben, dass wir Java besuchen werden; leider werden wir nicht zusammen zurück reisen können, da er, wir er uns schrieb, mit dem Norddeutschen Llyod, der Indien nicht berührt zurückfahren wird. Der Buitenzorggarten soll noch weit großartiger und namentlich wissenschaftlicher geworden sein als Peradenia.

Wir werden also in den nächsten 2 Monaten recht viel zu sehen bekommen.

Zum Schluße nochmals, hochverehrter Herr Professor, unseren aufrichtigen Glückwünsch!

Ihr ergebener Schüler

Hans Driesch.

a gestr.: xxx

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.01.1889
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3512
ID
3512