Potsdam 14. Dezbr 1873
Lieber Bruder!
Herzlichen Dank für die reichliche Kuchensendung, die uns und Muttern recht erfreut hat. Meinem, mir unbewußt anvertrauten Pathchen sende ich nachträglich meine Segenswünsche auf seinem Lebenswege und werde, was an mir liegt, gern thun, um ihm in allem Guten förderlich zu sein. Gott behüte die kleine Emma und lasse sie zu Eurer Freude gedeihen.
Aber nichts für ungut liebes Bruderherz. Ist denn das a allgemeine Sitte in dem guten Jena, daß man sich so plötzlich und unversehens zum Taufen entschließt? –
Bei uns geht es im alten Gleise: Frauchen lahmt oft und ich auch: bald geht es mit dem Fuße was besser, bald we-||niger gut. bIn ärztlicher Behandlung bin ich beständig. Es wird wohl bis ins Frühjahr hinein währen, bis ich die unangenehme Warze los werde. Ich habe jetzt auch tüchtig zu thun, seit 1 Dezember auch die halbe Vertretung eines kranken Collegen. Dazu spielen die Kirchlichen Wahlen immer noch eine Rolle. Clara war gestern in Berlin zu Weihnachtseinkäufen; sie hat auch Tante Bertha besucht, der es nicht sonderlich geht. Unsre Anna kommt nächsten Sonnabend von Dresden zum Besuch, um die Festzeit über hier zu bleiben. Die Pensionsdamen gehen auch in die Heimath für diese Zeit, da machte sich Anna’s Besuch ganz von selbst.
Von Carl hatten wir heut Nachricht. Die aufgeregte Periode hat sich wieder gelegt und er liest wieder viel u. ist dabei still und zurückgezogen. Mit Schwager Karl geht es nicht gut. Heinrich hat ihn neulich dort besucht. ||
den 18. December
Da finde ich heute den nicht beendeten Brief in meiner Mappe. Verzeih, lieber Bruder, aber nun soll er auch sogleich fort.
Ich sage Dir noch unseren herzlichen Dank für das üppige Weihnachtsgeschenk, welches Du uns gemacht hast. Wir werden es bestens verwenden.
Dir lieber Bruder und Deiner Frau wünsche ich einen recht fröhlichen Weihnachten, der ja, wenn man fröhliche Kinder um sich hat, eigentlich nicht fehlen kann.
Dein
treuer Bruder.
a gestr.: aber; b eingef.: In ärztlicher Behandlung bin ich beständig.