Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 29. August 1872
Potsdam 29. 8. 72
Lieber Ernst!
Heute früh war Mutter hier und teilte uns durch Postkarte von Tante Bertha (die seit einigen Tagen wieder in Berlin ist) mit, daß Vetter Max Sack, der Stadtrichter, in Illenau in Folge eines Schlaganfalls verstorben ist. Er hatte sicha vor mehreren Wochen, durch einen Druck des Elephanten im zoologischen Garten den Knochen des Unterarms gebrochen. Er war schlecht geheilt. Das soll er sich so zu Gemüthe gezogen haben, daß er nach Illenau gebracht werden mußte. Recht schwer für die alte Dame, die Mutter. Ihm ist wohl! –
Bei uns ist in den letzten Wochen viel Besuch gewesen: seit morgen 14 Tagen bis heut früh Gustav Boesche, der stud. theol. mit dem ich gern geplaudert habe u. manche nette Tour in der Umgegend gelaufen bin, da ich jetzt wenig zu thun hatte, und dann 3 Tage lang vom 16.-18t Frau Dr. Krüger aus Danzig, die sich viel der alten Ziegenrücker Zeiten und auch Deiner erinnerte.
In den letzten Tagen habe ich mich ehrlich mit einem Zahngeschwür an einer alten Wurzel geplagt, u. einen Tag ganz zu Bett gelegen 2 Nächte recht schlecht geschlafen. Es geht aber doch besser seit gestern. Ich denke mir nächstens die Wurzel herausnehmen zub lassen. ||
Von Carl, dem ich die Einlage zu geben u. falls nötig, vorzustrecken bitte, hoffe ich, daß er bei der Stille in Jena zu einem stetigen Arbeiten gelangen wird. Ich erwarte bestimmt, daß er vor 2. Oktober nicht hier eintrifft, u. bitte Dich, falls es erforderlich ist, ihm noch begreiflich zu machen, daß er uns nicht etwac, weil es ihm in Jena langweilig wird, plötzlich hier überraschen soll. Er muß auch Langeweile ertragen lernen. Auch Studenten können nicht beständig geistiges Zuckerbrod knabbern. Ich habe verschiedene Gründe, weshalb ich ihn bis Anfang October dort hoffe, und er muß sich darin finden u. seine Zeit selbstständig anwenden lernen. Seine rasche Rückkehr von der Reise wird Dich wohl auch frappirt haben.
Laßt es Euch ferner gut gehen, lieber Bruder; absolvire Deine Schwämme u. dann mache, daß Du mit Deiner Frau noch etwas in den Thüringer Wald hinaus kommst.
Ade
Dein Karl
Mutter geht es leidlich. Meiner Frau grüßt Euch bestens – das Bildchen Eurer Lisbeth finde ich (mit Hermann) in der That unserem Georg ähnlich sehend.
a eingef.: sich; b eingef.: zu; c korr. aus: etwas;