Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Hirschberg, 20. August 1863
Hirschberg
den 20 August 1863.
Lieber Bruder!
Mit wenigen Worten will ich Dir doch kurz sagen, daß es mir seit der Trennung von Dir recht wohl gegangen ist. Donnerstag den 6t dieses Monats machte ich, freilich bei regnigtem Wetter mit Dr Sommer von Dresden aus einen Ausflug nach der Bastei, u. fuhr Freitag über Goerlitz bis Spiller, der letzten Station vor Hirschberg, wohin ich Sonnabend den 8t früh in einigen Stunden wanderte. Theils des Wetters wegen, theils um mich erst etwas auszuruhen von dem Festtrubel, gab ich die Gebirgsexkursion auf dem Herweg auf, u. machte statt deren am Montag den 10t von hier aus mit einem Realsekundaner Schoeler aus Breslau, Verwandter von Lampert’s eine nette 3tägige Tour über d. Gebirge: erst v. Seyfersdorf hinaufa über die Anna-Kapelle u. Kirche Wang, die Riesenbaude, nach der Koppe, wo wir bei Abendbeleuchtung eine ganz herrlich klare Aussicht hatten, dann noch nach den Grenzbauden. Aus diesem Nachtquartier anderen Tages durch den Grund von Klein Aupa nach dem schön gelegenen Johannisbad u. zurück in den Grund v. Groß Aupa || am Südabhang der Koppe. Den Mittwoch von hier den steilen Wiesenb Grund herauf (der mich sehr an das obere Fuschthal erinnerte) nach der Wiesenbaude u. über den Kammweg den Dir bekannten Weg nach der Spindlersbaude (über die Teichränder und kleine Sturmhaube), von der Sehne über den Haynfall und Stonsdorf zurück nach Hirschberg. Das Wetter war schön aber siedend heiß. Da mein Gefährte nicht länger Zeit hatte, konnte ich die Tour leider nicht weiter ausdehnen u. will daher heute Nachmittag und Morgen noch einen Ausflug in die Elbgründe u. nach den Schneegruben mit Fritz Lampert machen. Gestern u. Vorgestern war ich mit Vater allein zu Wagen nach Landshut u. Grüssau, u. hatte meine große Freude über die Tour u. den lieben Alten, der so recht im Genuße der herrlichen Gebirgsnatur der alten Erinnerungen sich ergieng, u. so wie Mutter recht munter ist. Letztere hat auf kleineren Partien bewundernswerthe Marschtüchtigkeit gezeigt. Das Wetter ist uns bisher sehr günstig gewesen, Anfangs freilich sehr heiß. Doch kühlten einige Nachtgewitter, auf die wieder schöne Tage folgten in der letzten Zeit recht ab. Das Riesengebirge ist doch wunderschön, wenn man auch an den || Alpen einen nochc viel großartigeren Gebirgsmaaßstab hat. Einmal sind die Gebirgskämme mit den vorliegenden Bergen in so schönen Linien hingezogen, die je nach den verschiednen Standorten die mannigfachsten Formen zeigen, dann mischen sich die Farben des Hochgebirges, die aus dem dunklen Kleinholze, dem helleren Wiesengrün u. den noch grelleren Flechtenüberzügen des vielen zu Tage liegenden Gesteins zusammengesetzt, − bei guter Beleuchtung eine eigenthümliche Mischung von blau und grüngelb geben, ganz eigenthümlich schön u. noch anders als bei den Alpen gewöhnlich ist. Die mehr massengebirgige, tief zerklüftete Böhmische Seite zieht noch besonders an u. ich hoffe, wenn wir mit dem Wetter Glück haben, noch einen rechten Genuß heut und morgen daran zu haben.
Ihr werdet wohl dort in See u. Seeluft schwelgen. Grüßt mir die Mutter, und die Schwägerschaft bestens. An Mutter und Heinrich setze noch nachträglich meinen Geburts-Tags-Glückwunsch, durch die Gebirgsausflüge war ich abgehalten selbst zu schreiben. – Sonntag Mittag denke ich wieder in Landsberg zu sein. Mit herzlichen Grüßen Dein treuer Bruder
Karl.
a eingef.: v. Seyfersdorf hinauf; b eingef.: Wiesen; c eingef.: noch