Anna Sethe an Ernst Haeckel, Berlin, 12./13. April 1860

Berlin 12. 4. 60. 7 Uhr Abends

Kaum wirst Du Zeit haben, bei all den Dich umgebenden Herrlichkeiten und der kurzen Spanne Zeit, mein lieber Erni, einen Brief zu lesen, und doch muß ich schreiben, um Dir immer wieder dasselbe zu wiederholen: wie unendlich lieb ich Dich habe, welche unaussprechliche Freude meine Seele durchzuckt beim Träumen in die nächste Zukunft, die ich kaum vor Ungeduld und Spannung erwarten kann. Du wirst bei denselben eigenen Empfindungen Dich ganz in meine Stimmung versetzen können, aus der Dich gegenwärtig die bedeutenden Schätze und Kunstwerke in Paris mit Gewalt herausreißen, gewiß ein gutes Mittel, um die Sehnsucht und Ungeduld zu beschwichtigen, möchte Dir aber daraus nur nicht der Eindruck und Genuß geschmälert werden, den die letzten Wochen Deiner Wanderzeit Dir noch bieten. Diese Augenweide hast Du als Lohn für Deine angstrengte, emsige, gewißenhafte Arbeit reichlich verdient, und aus diesem Gesichtspunkte weiß ich Dich gern in der großen Weltstadt. Wie glücklich mich Dein letzter Brief gemacht hat mit der Nachricht von der glücklich zurück gelegten Seefahrt, brauche ich Dir wohl kaum zu sagen. Die Sorge um Dich hatte abgenommen nach dem vorletzten Brief, worin Du Dir sehnlichst Sturm wünschtest, mit dem ich in Gedanken immer Gefahr für Dich verband. Doch aus dem leichten Gefühl, das mich nach dem letzten Brief beschlichen hat, merke ich, daß doch noch etwas Angst und Sorge in einem Winkelchen des Herzens geseßen haben muß, die jetzt aus ihrem Versteck heraus gemußt haben. So wenig angenehm es für Dich gewesen sein muß, theils in der Koje unten zu bleiben, so wird Dir der Sturm manch großartiges, schönes Bild gegeben und Deine Phantasie || bereichert haben. Doch scheinst Du nicht den prachtvollen Mondschein mit seinem eigenen Zauber für das Meer gehabt zu haben, über den ich mich hier jauchzend für Dich freute. Doch schreibst Du ja nur skizzenhaft von der ganzen Reise bis Paris, von der Du Dir die Details mündlich vorbehalten hast. Denselben Trost werde ich mir auch hinsichtlich Paris geben, wo das Material des Neuen und Schönen wie in Rom so anwachsen wird, daß Du den Faden zum Anfang und Ende verlieren wirst. Dennoch hoffe ich sehnsüchtig auf einen Brief und wünsche, daß mein Zweiter am Sonntag richtig in Deine Hände gekommen ist, zu welchem Tage ich diesen auch wieder bestimmt habe. Die Beschreibung Deiner letzten Tage in Messina hat mich sehr intereßirt und mita großer Freude las ich von allen Freundlichkeiten und Liebesbeweisen der dortigen Deutschen, die den echten, edlen Kern in ihrem Landsmann erkannt haben und mit dazu beitragen, die Erinnerung an den schönen Süden mit frischen, lieblichen Bildern zu schmücken, nach denen Du noch oft genug Sehnsucht haben wirst. Könnte es wohl eine größere Freude für mich geben, mein lieber Schatz, als Dich, mein Stern in der Nacht des Lebens, verstanden, anerkannt, geachtet und geliebt zu wißen von Männern, die solcher Gefühle mächtig und eines Urtheils über Dich würdig sind? Mein Stolz bist und bleibst Du nun einmal und Nichts, Nichts auf der Welt kann mir dies hohe, unendlich schöne Gefühl rauben, das mich erfüllt in Deinem Besitze. O wonniger Moment, wo dieser geliebte Gegenstand mir wieder nahe ist, wo ich lesen kann in Deinen Augen die tiefe, wahre Liebe für mich, wie ich sie für Dich fühle, wo ich die reine, edle Seele aus den lieben Zügen zu mir || spricht [!], wo ein Kuß die Sprache ersetzt und ¾ Jahre in Nichts verwandelt! Ich weiß kaum, wie den Moment erleben, und doch ist mir zu Muthe, als fängt dann erst mein Leben an. Siehst Du, so unnütz bin ich, wollte Dir gleich für die Veilchen danken, und verliere mich wieder so in den altbekannten Gedanken, daß ich Alles Andere darüber vergeße. Der ganze Brief duftete nach den lieblichen Kindern des Frühlings, die mir ein Bild gegeben haben von der Üppigkeit der dortigen Vegetation – so groß und entwickelt, daß 4 der unserigen Veilchen sich unter einem sicilischen verstecken können. Ich habe den zarten Gruß, den letzten aus dem farbenreichen Süden wohl verstanden, nicht minder gut, als den beifolgenden poetischen, in den Du Deine ganze Seele mit voller Naturwahrheit ausgehaucht hast. Kein Wunder, daß die lieben Zeilen beim zweiten Überlesen hafteten und seitdem auf Tritt und Schritt mir folgen und mir wie schönes Glockengeläut in den Ohren klingen. Sie beschwichtigen mich, wenn ich in meinem Zimmer sitze und dem lockenden Rufe der warmen, strahlenden Sonne und dem mächtig hervorsprießenden Grün kaum widerstehen kann, und bin ich draußen in der Natur, so bilden sie meine Unterhaltung und beruhigen dann wieder in anderer Weise das sehnsüchtige, thörichte Herz. Von Deinen Alten kann ich Dir nur Gutes erzählen; Beide sind frisch und munter und ihre Kranke: Ottilie ist nicht ernstlicher krank geworden, sondern das gastrische Fieber nimmt ruhig seinen Verlauf; sie wird es gewiß gehörig herunterbringen, allein die lieben Alten sind doch großer Sorge und Angst überhoben, da es nicht ausartet. || Morgen Nachmittag erwarten wir Hermine mit der kleinen Anna, die acht Tage bei uns bleiben werden. Ich freue mich sehr auf die Miese, namentlich, da ich Weihnachten durch eigenes Unwohlsein und ihre häufige Abwesenheit von Hause nicht viel von ihr gehabt habe. Deine Sympathie mit Karl ist rührend; er selbst hat seine nächste Herreise auf Ende April festgesetzt, um Dich mit hier zu empfangen, und kommt somit Deinem Wunsche zuvor. Tante Bertha ist sehr wohl und munter und hat durch die Hochzeit von Ottilie troubulöse Tage durchgemacht, die ihr aber gut bekommen sind. Aus der Familie könnte ich Dir überall gute Nachrichten bringen, aber aus Deinem Bekanntenkreis muß ich Dir ein trauriges Faktum melden, das Du vielleicht selbst schon in den Zeitungen gelesen. Mich selbst hat es mit tiefer Wehmuth erfüllt, da ich weiß, wie lieb Du Deinen Freund gehabt hast, der noch so Viel, so Hohes hätte leisten können. Der gute Beckmann ist gestorben, woran weiß ich nicht, doch vermuthe ich an einem Lungen- oder Brustleiden, mit der [er] ja schon länger zu kämpfen hatte. Mußt Du auch in seinem Tod einen Verlust für die Wißenschaft beklagen, so verlierst Du schlimmeres, eine warme, edle Menschenseele, die im Streben nach Wahrheit und Freiheit Dich mächtig mit zu einem hohen Ziele antreiben half und Dir [in] zweifelvollen, weltschmerzlichen Stunden eine Stütze und Retter war. Ich habe ihn nur flüchtig kennen, aber achten und schätzen gelernt und verstehe Deinen Schmerz vollkommen. Ich dachte, Du solltest Alles wiederfinden in Deutschland, wie Du es verlaßen hast, und doch hat der Tod noch zuletzt eine große Lücke gebrochen. ||

Freitag 13. 4. 60.

Einen schönen guten Morgen, lieber Schatz! Ich hoffe die Sonne scheint bei Dir ebenso hell und du hast, wie wir, die ganze Zeit gutes Wetter gehabt, da kannst Du in der kurzen Zeit noch einmal so Viel von Paris zu sehen bekommen. Ich füge meinen gestrigen Zeilen heute noch meinen Wochenbericht bei und will noch heute den Brief an Dich absenden als Sonntagsfreude für Dich.

Charfreitag Morgen brachte ich den letzten Brief an Dich fort und machte dann beim schönsten Wetter in Begleitung von Theodor und Bertha Sethe, Tante Berthas Wagen folgend einen weiteren Spaziergang, immer am Kanal entlang bis hinter dem zoologischen Garten. Ich hatte eine große Freude über die grünen Kornfelder, die keimenden Hecken und Bäume, die in ihrem vollen Schmuck mit Dir zusammen zu sehen, ich mir wonnig ausmalte. Mittags waren wir recht vergnügt beianander [!]; außer Louis waren wir allein; Sophie’s Henkersmahlzeit. Nachmittag, während die Brüder ausgingen schwelgte ich in der Italia, Sophie sagte Tante Bertha und Tante Gertrud Lebewohl. Der Kaffee vereinigte uns Alle wieder, auch fanden sich Jacobis mit den Kindern ein. Während Mutter und Sophie in der Singakademie waren, um die schöne Bachsche Paßion zu hören, die ich mir leider durch Quinckes Strenge versagen mußte, war ich ein paar Stunden bei Tante Bertha, der ich Deinen letzten Brief vorlas und dann für Ottilie sämmtliche Hochzeitsgeschenke aufbauen half. Um 9 Uhr war ich pflichtgemäß wieder zu Haus, machte aber heute als letzten Abend mit Sophie zusammen eine Ausnahme von der Regel und ging erst 11 ½ Uhr schlafen.

Sonnabend 7 waren wir schon um 4 ½ Uhr wieder auf, ich half Sophie ihre letzten Habseligkeiten einzupacken; und nach gemeinsamem Frühstück verließ uns Sophie, von den beiden Brüdern || nach dem Bahnhof gelenkt. Ich räumte meine Sachen wieder in Mutter’s Schlafzimmer ein, übte und schrieb dann einen Brief an Agnes Stubenrauch, die seit ich sie vor Weihnachten hier flüchtig sah, bisher vergebens auf Nachrichten von mir gewartet hat. Auch an die Freienwalder schrieb ich noch einen Festgruß mit der Ostereiersendung, die Nachmittags abging. Nachmittag besuchte mich Magdalene auf ein paar Stunden, mit der ich alte Erinnerungen aus unseren Privatstunden in Stettin auffrischte und schöne französische und englische Gedichte vorkramte, die unser Lehrer: der Dr. Stahr zum Teil recht hübsch metrisch in’s Deutsche übersetzt hat. Unter diesen zog mich in meiner gegenwärtigen Stimmung ein Lied von Béranger: les oiseaux besonders an; ich schicke Dir daher die Stahrsche Übersetzung mit:

Öde Winterstürme ziehen

Über Feld und Flur entlang,

Und die Sommervögel fliehen

Südwest hin mit Lieb und Sang.

Doch in linder Lüfte Wehen

Denken sie an’s alte Glück

Vögel, die im Winter gehen

Kehren mit dem Lenz zurück.

2.

Ach, sie trieb vom heim’schen Aste

Ein Gesetz, uns nur zur Qual,

Von der Hütte, vom Pallaste

Klang des Liedes Wiederhall.

O, so geht denn hin zu Andern,

Singet dort von Freud’ und Glück:

Vögel, die im Winter wandern

Kehren mit dem Lenz zurück.

3

Festgebunden an der Erden,

Wie beneid’ ich euren Lauf!

Finster schon beginnt’s zu werden

Wolken ziehen [!] im Norden auf.

Glücklich, wer mit leichten Schwingen

In die Ferne kehrt den Blick,

Vögel, die im Winter gingen

Kehren mit dem Lenz zurück.

4.

Werden unsrer Leiden denken,

Wenn das Wetter sich verzog,

Wieder sich zur Linde senken,

Die so oft im Sturm sich bog,

Schmettern über Feld und Hügel

Dann ihr Lied voll Freud und Glück:

Vöglein hat im Winter Flügel,

Aber kehrt im Lenz zurück. ||

Mutter ging gegen Abend noch zu Untzers und Jacobis; ich spielte Klavier und ging früh schlafen.

Sonntag 8 begrüßte mich gleich beim Erwachen das herrlichste Osterwetter, das in mir aber keine rechte Sympathie fand, namentlich als ich alle Briefhoffnung aufgeben mußte. Gegen 11 Uhr fuhr ich mit Mutter zum Kirchhof hinaus, wo wir am grünen Hügel des Vaters beim Jubelliren [!] der Lerchen, im warmen Sonnenschein ein paar köstliche Stunden verlebten. Zurück gingen wir zu Fuß und ich wälzte mir zum Festgeschenk eine Jahrelange Schuld vom Gewißen und besuchte die Frau Lieutenant von Wangenheim, geborene Schach, eine frühere Stettinerin, mit der wir eine Zeit lang viel verkehrten. Es war nur rührend, wie freundlich und herzlich ich nach so langer Zeit willkommen war. Nach Tisch las ich zum Festtagsvergnügen in alten Briefen von Dir und ging dann um 5 Uhr zu Helene, der ich Ostereier verstecken half für ein Rudel kleine Mädchen, die Klärchen sich gebeten hatte. Die Spannung und Freude der Kinder beim Suchen amüsirte mich sehr und nachdem ich mit ihnen gespielt hatte, ging [ich] zu Haus, wo an dem Abend die liebe Familie, auch Magdalene Dieckhoff versammelt war. Mir war nicht ganz wohl, drum war ich froh, als Alles fort war und ichb mich in der stillen, klaren Nacht an den Cooksfeuern freuen konnte. Es war einer von den Tagen, wo die Trennung von Dir besonders schwer auf mir lastete und durch goldene Zukunftsträume und rosige Bilder suchte ich mir Frieden und Ruhe zu verschaffen.

Montag 9 war mir noch weniger festlich zu Muthe, als Tages zuvor und konnte kaum meine Sehnsucht nach einem Brief bemeistern. Die Zeit für den Postboten war vorüber, || Mutter in der Kirche, Heinrich aus und Johanna, augenblicklich unser einziger dienstbarer Geist, eben im Begriff auf zwei Tage zu ihren Eltern nach Fürstenwalde zu reisen, als es klingelte und mein pochendes Herz mich nicht täuschte. Ich hatte den schmerzlich erwarteten Brief in Händen und machte mir schleunigst seinen Inhalt zu eigen. Die schönen Veilchen habe ich 1000 mal geküßt und das Liedchen gleich vor mich hingesummt. Nun war guter Rath theuer; wie den Alten den Brief, auf den sie ebenfalls brannten, zukommen laßen? Da ich allein im Quartier war, bekam noch Besuch von der tauben Karoline, die ein rührendes Intereße an Dir nimmt, und von Quincke, der sich mit mir freuen mußte. Zum Glück kam Mutter bald zurück und als ich eilig zu den Alten aufbrechen wollte, ergiebt es sich, daß es schon 2 ¼ Uhr ist und um 2 ½ sollten wir bei Jacobis eßen mit dem Alten, Adolph Schubert, Mutter Jacobi und Lucie, Eichmanns, Louis, Theodor zusammen. Bald nach dem Eßen verabschiedeten sich der Alte und ich gingen aus [!], gingen zur Mutter zu Hause, wo ich Beiden Deinen lieben, warmen Brief vorlas und plaudernd bis 7 Uhr bei ihnen blieb, wo ich in Folge deßen mit Frau Sleevogt den Rückweg machen mußte. Ich las in meinem Zimmerchen zum wiederholten Male den Brief, bis Mutter kam, mit der ich zusammen zu Tante Bertha herüber ging, wo wir mit Tante Gertrud, Frau Karbe geborene Thiem, Theodor und Bertha zusammen Thee tranken. Als Frau Karbe fort war und Tante Gertrud erzählt hatte, daß Eduard Voswinkel nach Görlitz zu Hermine Reimer in die Irrenanstalt gebracht worden sei, was mir für die Familie schrecklich leid ist, las ich Deinen Brief vor, der am andern Tage nach Freienwalde wandern sollte. ||

Dienstag 10 spielte und arbeitete ich und ging dann schon um 11 Uhr aus, um einige Besorgungen zu machen und Ohrtmanns zu besuchen, bei denen ich ein Stündchen sitzen blieb und traulich mit den Mädchen plauderte, diec ich wirklich sehr gern habe. Dann ging ich zu den Alten, las ihnen noch einmal Deinen Brief vor, der dann nach Freienwalde expedirt wurde. Später kamen Mutter und Heinrich auch, um gemeinsam zusammen zu eßen. Adolph Schubert war sehr glücklich, endlich Ottilie wieder sehen zu dürfen, was Quincke ein paar Tage untersagt hatte. Ich glaube zwar, daß Du dies Schicksal noch weniger ruhig getragen haben würdest, als der überhaupt ruhige, gemeßene Bräutigam Adolph. Nach dem Kaffee ging Mutter mit der Alten im Garten spazieren, ich führte einen lang gehegten Wunsch aus, die guten Brauns zu besuchen, die ich leider nicht zu Hause traf; unter den Linden begegnete mir Frau Quincke, die ein gleiches Schicksal bei anderen Leuten gehabt hatte. Auch Anna Runde, geborene Lüdicke traf ich nicht zu Haus, wohl aber Mutter Reimer, die ich auch sehr lange nicht mehr gesehen hatte, und bei der ich ein ganzes Weilchen blieb. Abends saßen Mutter und ich beisammen.

Mittwoch 11 hatte ich im Haus Allerlei zu schaffen und hatte dann Besuch von Quincke, der mich endlich von der Medizin befreite, die ich lange genug habe schlucken müßen. Seinen Rath, tüchtig spazieren zu gehen, befolgte ich sogleich und wollte Helene dazu abholen. Diese war aber mit den Kindern schon ausgegangen; ich wagte mich also allein in den Thiergarten und paßirte in den milden Partien manches Lieblingsplätzchen von uns Beiden; draußen in der Natur fühle ich mich immer am allerwohlsten. Da wird das Herz so weit, der Geist so frei und die Feßeln des Lebens abgestreift. Im Seepark hielt ich mich lange auf, sod daß ich schleunig zu Haus eilen mußte. Ich mußte || noch eßen und hatte schon um 3 Uhr Klavierstunde. Dann beendete ich Schiller’s Biographie von Palleske und wollte eben eifrig an die Arbeit gehen, als Frau Dr. von Wallenstedt kam und uns sehr lange besuchte, später kam Helene auch, die Tages zuvor in Potsdam gewesen war. Sie ging mit Mutter zusammen zu Tante Bertha, während ich fleißig bei der Arbeit blieb, mich mit Deinen Gedichten unterhaltend.

Donnerstag 12 bekamen wir schon früh am Morgen Besuch vom Oberregierungsrath Triest aus Stettin, der leider keine guten Nachrichten von Anna aus Meran hatte, die in Folge einer starken Erkältung schon 4 Wochen hat das Zimmer hüten müßen. Anfang Juni kommt sie zurück; doch wünscht ihr Vater, daß sie nicht gleich in Stettin bleiben, sondern etwas nach Heringsdorf soll. Wenn sie damit einverstanden ist, kommt sie eine Zeit lang zu uns, worüber ich mich sehr freuen würde. Wir haben uns so lange nicht gesehen und wer weiß, da sie bald darauf heirathet, wann wir uns länger sehen. Dann besuchte ich Onkel Gustav Untzer, um ihm zum Geburtstag zu gratuliren fand ihn aber nicht zu Haus. Von da ging es in die Schneiderstunde. Nachmittag während Mutter aus war, besuchte mich wieder Magdalene. Als sie fort war, schrieb ich an Dich, und muß nun auch schon wieder aufhören, da die Alten noch mitschreiben wollten. Heute vor acht Tagen kamst Du in Paris an, und hast gewiß schon viel Schönes in der Zeit gesehen; ich bestelle fortwährend Sonnenschein. Mich soll wundern, ob Betzold wirklich über Paris zurückgeht und Du dort noch mit ihm zusammentriffst, was ich mir für Euch Beide sehr angenehm denke. Mutter grüßt Dich herzlich und ich füge einen innigen Kuß bei. Schreib recht bald; acht Tage wollen mir jetzt immer gar zu lang werden. Deine treue Aenni.

a eingef.: mit; b eingef.: ich; c eingef.: die; d korr. aus: und

Brief Metadaten

ID
34497
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
13.04.1860
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
10
Umfang Blätter
5
Format
22,0 x 14,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 34497
Zitiervorlage
Sethe, Anna an Haeckel, Ernst; Berlin; 13.04.1860; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_34497