Sethe, Anna

Anna Sethe an Ernst Haeckel, Berlin, 22.25. April 1859

Berlina den 22.4.59

Seit gestern bin ich wieder im Besitze eines lieben Briefes, mein guter Erni, auf den ich von Montag in voller Sehnsucht, vergeblich gewartet hatte; die allen wöchentlichen Nachrichten von Dir haben mich so verwöhnt, daß ich glaube, nach acht Tagen das volle Recht auf einen Brief zu haben. Gestern Mittag brachte ihn mir Ottilie; daß er nicht so heiter lautet, wie sonst, wundert mich gar nicht; Du hast in Rom zu angenehme, geistreiche, lebendige Zeit verlebt, um sogleich Behagen am Stubensitzen zu finden, umgeben von prellerischem Gesindel, die einem biederen Deutschen gewiß das Leben schwer machen können und vor sich dies herrlichste Bild, zu dessen Gunsten mein Auge sicher dem Mikroskop oft untreu werden würde, namentlich wenn wie bisher bei Dir das Material der zu untersuchenden Thieren [!] nicht allzu reich und interessant ausfällt. Es wird anders kommen; das Meer wird Dir schon Stoff zum Nachdenken geben, wobei Dich auch kein Annelid! (das ist ja nichts Neues) stören soll. Einen glücklichen Fund wirst Du schon machen, Du lieber Glückspilz. Nur nicht den Muth sinken lassen, den der Sirocco Dir umgepustet zu haben scheint. Dabei fiel mir recht Licht und Leben von Moleschott ein, worin er die Abhängigkeit der Stimmung des Menschen vom Wetter definirt. Du, als Naturforscher, müßtest doch darüber erhaben sein, ich will mich auch nicht ganz frei davon sprechen; im Ganzen ist es aber mein Grundsatz, will Gott die Sonne nicht scheinen lassen, muß es der Mensch gewiß und ein lachendes Gesicht, eine frische Seele, kann gewiß das Licht des Himmels einigermaßen ersetzen; „gute Miene zum bösen Spiel machen“ ist ein vortreffliches Sprichwort, das ich noch heute erprobt habe. Es hat nämlich buchstäblich ununterbrochen von 6 Uhr Morgens bis jetzt 9 Uhr Abends geregnet, so daß ich nicht zu Deinen Alten konnten [!], die sich gestern sehr freuten über meinen Besuch, den ersten nach der 5-tägigen Haft, die ich für gänzlich unnütz gehalten habe. Nun will ich Dir erzählen, wie ich diesen Regen-Charfreitag verlebt habe. Leider hatte Quincke mir die Kirche untersagt; nachdem ich also früh (meine tägliche nüchterne Beschäftigung) ich meine nicht die Beschäftigung ist nüchtern; ich nehme sie mir nüchtern vor,b über das Wasser als erdgestaltende Macht von Roßmäßler || gelesen, gefrühstückt, meine Blumen besorgt und mich angezogen hatte, nahm ich Schleiermacher’s Hausstandspredigten zur Hand und las eine prächtige Predigt über die Ehe, die er so schön, so harmonisch und herrlich schildert, aber auch nur so im innigen Einverständniß der beiden Geschlechter, wenn der Mann als Haupt des Weibes dies unterstützt, zu sich und in seinem Gedankengang, wie es sein Beruf mit sich bringt, heranzieht, sie vergessen läßt die Sorgen des Hauses, die ihr zufallen, in materieller, in geistiger Beziehung, kurz Beide sollen Eins werden, in einander aufgehen, sich ergänzen und entwickeln, so kann Glück, Ruhe und Frieden nicht ausbleiben, auch wenn trübe, ernste Tage kommen, die gemeinsam getragen, einen veredelnden Einfluß auf das Gemüth ausüben, daß wer nicht schon den ersten großen Schritt zu diesem Verhältniß gethan hat, gewiß Lust dazu bekommen muß. Dabei war mir zu Muthe, als würde unser ungetrübter, rein aus gegenseitiger Neigung geschlossener Bund geschildert, in dem je länger, je mehr das eigene Ich immer mehr vergessen werden wird über das Andere. Lieber Schatz, ich hoffe dieser Brief erreicht Dich am 3 Mai, wo dieser unser Bund seinen Geburtstag feiert, der uns Beide dereinst glücklich machen soll, verfügt Gott nicht anders. Einen innigen Kuß einer glücklichen, frohen Braut schließt dieses Papier, diese Zeilen für Dich ein, die Dir gern in’s liebe Auge sähe, um dort auch Freude und Liebesglück zu schauen, das uns Beiden der 3 Mai des vorigen Jahres gebracht hat. Hab Dank, tausend Dank, lieber Erni, daß Du mir, dem unnützen, losen Ding, Dein liebes, offenes treues, gutes Herz geschenkt hast, an dem ich einen sicheren Halt für’s ganze Leben habe und das ich mir durch Streben nach gleichen Eigenschaften immer mehr verdienen will. Treu offen und ehrlich meine ich es auch mit Dir; fehlen mir die Eigenschaften, die Tugenden eines liebenswürdigen weiblichen Charakters (das fühle ich recht gut) hast Du doch ein tiefes, christliches Gemüth in mir, bestrebt, sich das Gute immer mehr anzueignen und Dir eine moralische Stütze für Dein Leben zu sein. Einen heiteren, frohen Sinn bringe ich Dir mit, der Dich nach den ernsten Arbeiten des Tages erquicken, nie Runzeln auf Deiner freien Stirn kommen lassen soll und sonnig || und lieb unser Häuschen, unser kleines Paradies machen soll, wo Friede und Eintracht hoffentlich ihre Stätte aufschlagen sollen. Wie ich mich hiernach sehne, wo die Gegenwart mich stete, traurige Einblicke in das Gegentheil thun läßt, ich meine das traurige, unnatürliche Verhältniß der Mutter zu uns Kindern und umgekehrt, weißt Du. Noch heute Nachmittag sprach ich mich hierüber gegen Emilie Scheller aus, die Mittags bei uns gegessen hatte, die klar dies Verhältniß durchschaut, mir Recht gibt in der schweren Aufgabe, die mir dabei gestellt ist, wenn irgend möglich Harmonie in die Mißtöne zu bringen. Ich lerne hierbei mich beherrschen, meine heftige Natur zügeln und tiefen Widerwillen gegen die egoistische Tyrannei der Gedanken und Meinungen, wie Mutter sie an uns ausübt in dem Beharren auf ihrem Sinn und geringen, ich will nicht sagen gar keinem Vertrauen zu uns. Ich fürchte, es bleibt bei meinem Willen stehen; Mutter und ich sind zwei zu so heterogene Naturen, um jemals ganz übereinstimmen zu können; nichts desto weniger soll es mein Streben sein und bleiben, mein kindliches Verhältniß nicht zu vergessen, mich ihr unterzuordnen, in Liebe und Geduld ihre Schwächen zu tragen, die mir ja auch nicht fremd sind und durch Gehorsam und Reife ihre gereizte, unzufriedene Seele zu mildern, und weicher zu stimmen, namentlich gegen Heinrich, den sie gar zu unrichtig, mißachtend behandelt. Verzeihe, wenn ich Dich hier aus den weichen, schönen Tönen des Südens gerissen habe und Dich nach dem kalten Norden führte im wahren Sinne des Wortes; warme Seelen gibt es dort aber auch, Eine warme Seele wenigstens, die Dir Nichts, kein Fältchen des Herzens verbergen kann und Leid und Freud mit Dir durchplaudern muß; besitzt sie doch auch religiöse Kraft genug in sich, der letzteren zur Herrschaft zu verhelfen und sich nie vom ersteren unterdrücken zu lassen. Ich fühle es, Erni, der Geist beherrscht den Körper und soll Licht und Wärme über das ganze Wesen ausbreiten; durch Prüfungen reift er und entwickelt in den Früchten immer neue Blüthen zu innerem Wachsthum und Gedeihen, zur Klarheit, Wahrheit, Vollendung des Menschen. || Nachdem ich also meine Predigt gelesen, ging ich mit drei Deiner letzten Briefe zu Tante Bertha herüber, las sie aber nicht alle vor, da Quincke uns dabei unterbrach. Letzterer neckt mich immer, Du seist mir untreu geworden und erkundigt sich nach Deiner neapolitanischen Schönen; meine Ruhe und Sicherheit, womit ich das Gegentheil behaupte, amüsiren ihn königlich. Zu Mittag ging ich wieder herüber, wo Tante Emma Scheller uns besuchte und Emilie dort ließ, mit der ich einen angenehmen Nachmittag verlebte. Um 6 Uhr ging sie in die Beethovensche Passion, die wundervoll gewesen sein soll, ich machte mir eine besondere Festfreude; nahm mein Herbarium vor und habe mich wieder so recht innig über jedes einzelne schöne, prächtig preparirte Exemplar gefreut. Unter den Saxifragen sind die meisten Alpenpflanzen, von denen ich einzelne schon aus meinem kleinen Alpenherbarium kenne. Dabei fällt mir ein, Du sagtest von einem kleinen botanischen Buch, worin ich meiner botanischen Dummheit abhelfen könne; ich kann es nicht finden in Deinem Bücherschrank. Vergißt Du es nicht, bitte schreibe mir den Titel und wo es steht. Nach dem Abendbrod sitze ich also und plaudere mit Dir, muß aber auch abbrechen, denn die häßliche Stunde, wo es zu Bett heißt, ist da, von Herzen eine gute Nacht!

Sonntag 24. Heute ist Ostern, ein schönes Fest, denn nächst der Auferstehung des Herrn, die Bürgschaft für unser Leben nach dem Tode, feiert auch die liebe Natur in dieser Zeit ihr Auferstehungsfest; die warme Sonne hat Halm und Blumen aus dem langen Winterschlaf geweckt, den öden, kahlen Bäumen wieder grünen Blätterschmuck gegeben, theilweis sie schon mit Blüthen geziert. Der herrliche Morgen heute wäre geschaffen zu einem Spaziergang mit Dir; ich blickte sehnsüchtig nach dem Kreuzberg hinüber und dachte des schönen 19 April, wo wir dort Beide am Abhange saßen, Du mir die reizenden für Beckmann bestimmten Pflänzchen zeigtest und schließlich Angesichts der untergehenden Sonne sie mir schenktest; ich war selig darüber, konnte die ganze Nacht nicht schlafen; dennoch war es eine unbewußte Seligkeit, zu der ein weibliches Gemüth, glaube ich, leichter geneigt ist, als das bestimmtere männliche. ||

Ich machte mir nicht klar, daß in diesem Geschenke eine Annäherung von Deiner Seite läge und eben darüber meine Seligkeit entstand; gefühlt muß ich es aber haben, denn ich habe vor unserer Verlobung Niemanden das köstliche Pfand Deiner Liebe gezeigt, ich glaube aus dem Grunde, Niemanden das süße Geheimniß anzuvertrauen, so will es mir jetzt wenigstens scheinen. Zurückgekehrt von dem schönen Spaziergang spielten wir Quatre-main; nach dem Abendbrod las’st Du mir über das Meerleuchten vor. Die Nacht trennte uns; warum aber nahm ich noch denselben Abend mein Album zur Hand und ließ meine Augen auf Deinem Bildchen mit der Alpenrose darunter ruhen? Jetzt weiß ich warum; weil die Liebe sich in mein Herz eingeschlichen hatte, aber weder mir klar bewußt, noch reif zu Deinem Besitz war. Hierin liegt der Unterschied von damals und jetzt; liegt auch ein eigener Reiz und Zauber in dieser unbewußten, geahnten Liebe einer Mädchenseele, ist doch die ausgesprochene, vielfach erprobte Liebe Deiner Braut ein köstlicheres, reicheres Gut, mit dem ich wuchern werde fort und fort. Gewiß machst Du heute auch eine Excursion, wohin wird der nächst, nächste Brief mir erzählen. In die Nähe des Kreuzberges komme ich auch heute, denn um 12 Uhr will ich mit Mutter, der es Gott sei Dank, heute besser geht, nach dem Kirchhof fahren, um Vater’s Grab zu besuchen. Du wirst heute, spätestens morgen meinen letzten Brief erhalten, also eine Festfreude haben, wenn er auch keinen Festgruß enthielt, denn ich muß sagen, daß mir in den Tagen wenig festlich zu Muthe war und ich an Ostern nicht gedacht hatte. Nachdem ich Dienstag Deinen Brief abgeschickt hatte, nähte und flickte ich, mit meinen Gedanken bei Dir; Nachmittag hatte Mutter Besuch von Tante Emma Scheller, der Geheimräthin Jacobi und Helene, ich von Magdalene Dieckhoff, die Dich herzlich grüßen läßt, und mit der ich bis 8 Uhr gemüthlich plauderte. Ich erzählte ihr von meinem Leben in der Zwischenzeit, wo wir uns nicht gesehen haben, sie von dem ihrigen, das reich an musikalischen und anderen Kunstgenüssen gewesen ist. Ich hatte eine süße Nacht, in der ich mich unaufhörlich mit Dir beschäftigte; Du warst zurück, und wir Beide glückselig. || Ich hielt das für eine Vorbedeutung eines Briefes, der wieder ausblieb. Der gute Alte war Nachmittags hier, um sich womöglich auch einen Brief zu holen; Abends kamen Onkel Scheller und Tante Emma bei uns; sehr munter, wie ich den Onkel, der im Winter viel krank gewesen ist, lange nicht gesehen habe; die Töchter waren im Titus. Donnerstag entzückte ich mich schon gleich früh Morgens im Roßmäßler an dem interessanten Abschnitt über die Wolkenbildung, die ich Nachmittags an dem schweren Gewitterhimmel Gelegenheit hatte, zu beobachten; dann nähte ich eifrigst und erhielt gegen Mittag Deinen lieben Brief, in dem Du Martens auch bedacht hast. Ich sollte heute mit ihm, Adolph Schubert und Herrn von Böhmer bei Deinen Eltern essen; jedoch sind wir zu Mittag bei Jacobis, wo Nachmittag den Kindern Eier versteckt werden. Morgen Mittag werde ich bei Deinen Eltern essen. Quincke erlaubte mir endlich auszugehen und ich hatte nichts Eiligeres zu thun, als hinauszueilen, obgleich die schweren dunkeln Wolken sich immer mehr zusammenzogen und der unnatürlich heißen Luft, der Vorgängerin eines Gewitters, Abkühlung verhießen. Ich ging einen Augenblick zu Untzers herauf, die eben aus Dresden zurückgekommen waren, wo sie ein paar Tage während des scheußlichen Wetters gewesen sind. Dann ging ich zu Deinen Eltern, mich kindisch freuend über das majestätische, dumpfe Rollen des Donners und die zackigen Blitze, die von Zeit zu Zeit die schweren Wolkenmassen erhellten. Ehe sie ihr Wasser herunterschickten, war ich Wilhelmstraße 73 angekommen und fand Frau Sleevogt bei Deinen Eltern, die nach ihrer gewohnten exaltirten Weise sich über den Krieg, das Tagesgespräch, aussprach und die Franzosen schon in Berlin sah. Um 5½ Uhr, während Ottilie in den Dom ging, nahm der liebe Onkel mich mit in den Thiergarten, den ich an Deinem Arm zuletzt gesehen hatte. Es war herrlich nach dem Gewitter geworden; die Luft warm und milde, der Thiergarten so frischgrün und durch den Gesang der Vögel so belebt, daß ich da den ersten Festgedanken bekam. Wir gingen zum Denkmal des Königs, rings umgeben von blühenden || Blumen und überraschend entzückten mich nach langer Zeit wieder die herrlichen Formen der Reliefs. Zu Haus angekommen, spielte ich noch die schöne Mozartsche Phantasie und Sonate; nach dem Essen, als Mutter zu Bett war, beobachtete ich ein schönes Nordlicht vom Balkon aus und freute mich über die hellen, in der warmen Luft ruhigen Lichter der Coaksöfen; es war ein Abend, wie wir im vergangenen Jahr so viele auf dem kleinen Balcon erlebt haben; meine Gedanken waren in Neapel bei Dir und dem blauen Meere und dem Vesuv. Auf den schönen Abend sollte kein entsprechender Morgen folgen; es regnete von früh bis spät, wie ich Dir schon geschrieben habe. Gestern Sonnabend habe ich von 8–4 Uhr außer der Mittagspause feine Wäsche geplättet. Dann lockte mich das herrliche Wetter heraus; ich machte ein paar Besorgungen in der Stadt, ging dann zu Deinen Eltern, wo ich Tante Bertha fand. Wir blieben bis 7 Uhr zusammen; wo letztere fortfuhr, ich Deiner Mutter noch einige Leinwandbestellungen machte (lauter Ausstattung) und dann den Rückweg antrat, auf dem Emilie Scheller mich noch ein Stückchen brachte und mir vom zoologischen Garten erzählte, aus dem sie zurück kehrte. Dabei fällt mir ein, daß Eduard Petersen mich neulich in Frankfurt sehr mit der Tour nach dem zoologischen Garten neckte, die wir im vergangenen Sommer von uns aus machten. Er ging mit uns Beiden allein zu Fuß hin und zurück und ist dabei, wie ich schon vermuthete, ganz klar über unser Verhältniß geworden. Gestern Abend habe ich noch einen Brief an Agnes Stubenrauch geschrieben und [bin] dann sanft eingeschlafen.

Montag den 25. Gestern mußte ich hier aufhören, weil ich mit Mutter nach dem Kirchhof war, wo es still und friedlich; leider hatte sich das Wetter inzwischen sehr verändert und war rauh und windig geworden. Gegen 2 Uhr waren wir wieder zu Haus, und ich machte mich gleich auf, um zu Jacobis zu gehen, wo wir mit Lucie und ihrer Mutter zusammenaßen. || Nachmittag habe ich helfen den Kindern Ostereier verstecken, die von Beiden mit großem Jubel gesucht wurden. Gegen 6 Uhr kehrten wir zu Haus, wo wir einen lieben Besuch von Deinem Alten und Ottilie hatten dann zum Abend bei Tante Bertha mit Schellers recht vergnügt zusammen waren, wobei viel von Dir die Rede war, noch mehr Deiner gedacht wurde. Der bevorstehende, eigentlich nothwendig gewordene Krieg beschäftigt mich sehr in Deinem Interesse. Gestern sind die Ordre zur Mobilmachung der Reserve des 7, 8 und 3 Armeecorps, zu dem Du gehörst, ausgefertigt worden; bis jetzt aber bei Deinen Eltern noch keine Einberufung für Dich einpassirt. Ich hoffe, sie vergessen Dich, oder brauchen die Unterärzte noch nicht sobald, denn der Zweck Deiner Reise wäre verfehlt und ungern würde ich Dich jetzt das reiche Material für Dein Studium verlassen und in den Krieg, wenigstens auf Posten ziehen sehen. Dein Alter erzählte mir gestern Abend, daß zu Mittag Martens ihm gesagt, er habe bis jetzt noch in keinem Buche etwas von Deiner Salpe entdeckt, die er für einen guten Fund halte. Wie gern ich dieser Meinung beistimme, brauche ich nicht zu sagen; ist es wirklich ein neues, bisher unbeschriebenes Thier, so wünsche ich Dir von Herzen Glück und scharfe, glückliche Augen, um seinen Bau und Leben genau kennen zu lernen. Schreibe mir nur ja, was Du für hübsche Thiere findest; es interessirt mich ungemein, wenn ich auch mit Niemanden [!] darüber sprechen kann. Heute ist des lieben Großvaters Geburtstag, ein schöner Tag für unsere ganze Familie, an dem wir voller Dankbarkeit gegen Gott an den trefflichen Ahnen zurückdenken müssen. Ich war vorher ein Stündchen bei Tante Bertha, die Dich grüßen läßt. Leider bin ich wieder beinahe 1 Stunde am Weiterschreiben gehindert worden durch den Besuch von Hartmanns; drum kann es (da es 1½ Uhr ist) nicht mehr viel werden. Deine Alten grüßen herzlich, so wie Mutter, die sich heute etwas wohler fühlte. Könnte doch Deine Aenni am 3 statt des Papiers zu Dir fliegen, Dir in die lieben Augen blicken und Dich in meinen lesen lassen: „Du hast die Seele mein so ganz genommen ein.“ Einen innigen Kuß von Deiner glücklichen Aenni.

Denke freundlich des Abends des 3 Mai und behalt mich lieb.

a irrtüml.: Steinspring; b eingef. mit Einfügungszeichen: ich meine … nüchtern vor.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.04.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 34447
ID
34447