Sethe, Hermine

Hermine Haeckel an Ernst Haeckel, Ziegenrück, 12. Februar [1854]

Ziegenrück 12. Febr.

Lieber Ernst!

Zu Deinem bevorstehenden Geburtstag, muß ich Dich doch wohl in Person aufsuchen, um Dir meinen und unseres kleinen Karls besten Glückwünsche zu sagen.

Soweit kam ich gestern Abend und – war eingeschlafen; ja so müde bin ich sehr häufig, daß ich kaum bis 10 Uhr mich wach erhalten kann. Wie viel weiter ich nun heute kommen werde als dem letzten Termin zum abschicken das weiß ich noch nicht. Der süße Junge liegt im rosa Kleidchen (nota bene a von Tante Gertrude) so reizend munter in seinem Bettchen, angelt nach Pathenonkle b Schuberts Hampelmann, daß ich immer wieder mich mit dem lieben Schelm beschäftigen muß. Überhaupt nimmt || der kleine Karl mir soviel Zeit fort, so wohl durch seinen großen Appetit als auch durch sein munteres aufgewecktes Wesen, das uns ungemein große Freude macht. Derselbe gedeiht Gott sei Dank sehr vortrefflich, ist ganz gesund, dick und rund ohne schwamich zu sein. Du willst etwas Näheres über seine kleine Persönlichkeit wissen? Da wills versuchen: Das Köpfchen soll hübsch sein, kanns nicht beurtheilen; das Gesichtchen ist rund mit dicken Backen, kleinem Mund, häßlicher Nase, schöne, helle, muntere sehr schelmische Augen, starke Augenbrauen, lange Augenwimper, hohe Stirn, und augenblicklich wenig Haar; kurze hübsche Arme große Hände mit langen Fingern, dicken runden Bauch; feste, fleischige Beinchen und dicke Waden. Im Ganzen hat er sehr weiße und ganz reine Haut || die manichmal ganz marmorirt auftritt, als Zeichen guter Gesundheit. Die Ohren hätte ich beinahe vergessen, bei denen das zu bemerken [ist], daß sie groß sind und in einem Rand ein dreieckiges Stückchen fehlt. Den wirklich reizend freundlichen, schelmischen Ausdruck seines lieben Gesichtchens läßt sich nicht beschreiben [!]; Häckelsches hitziges Blut hat er entschieden und ungemeine Gelenkigkeit in Armen u. Beinchen, die selten Ruhe haben. Da hast Du unser liebes Kind, so gut es sich beschreiben läßt; als etwas vorübergehendes muß ich doch einige Flohstippchen hinzufügen, die heute auf beiden Armchen sich zeigen; unstreitig ihm von Frl. Flink verehrt, die jetzt erst wedelnd und springend dahinterc kommt, daß Karlchen ein Kind ist und Leben hat.

Bekommst Du nun nicht Lust recht bald Dir Dein Pathchen anzusehen? || sonst fürchte ich wird er kein Naturforscher, sonst müßte er doch, wenn er zum Fenster hinaus sieht, sich über Schnee, Berge, Saale und Fichten mehr freuen als über künstliche Gegenstände, als Hampelmann, Federwisch, grünseidne Schleife am Bettchen und was dergleichen Dinge mehr sind. Also verlangt schon Dein eignes Interesse, daß Du bald kommst. Jetzt habe ich meinen Jungen auf dem Schooß bis die Karoline ihn nimmt, und ich dann eilig den Schluß machen kann, d der Dir sagen soll, womit der Brief hätte beginnen sollen, aber der Junge! Soll Dir sagen wie ich Dir von Herzen zunächst gute Gesundheit wünsche, damit all Deine in die Ecke geworfnen Wünsche in Erfüllung gehen können; kommen sie später mal aus staubigen Winkeln heraus e, wie wirst Du Dich da doppelt freuen; fange über diesen Wunsch aber keine Grillen, das sage ich Dir, die mußt Du alle Morgen durch Deine Wirthin ausfegen lassen, bis keine mehr da sind. Und somit Gott befohlen. Deine Schwester. ||

Der kleine Pathe schickt ein Küßchen, d.h. offner Mund mit viel Blasen daran.f

a gestr.: f; b gestr.: s; c korr. aus: dahintter; d gestr.: und; e gestr.: kommen; f Nachsatz am linken Rand von S. 1: Der kleine Pathe … Blasen daran.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.02.1854
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 34011
ID
34011