Wilhelmine Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt, 12. November 1868

Frankfurt d 12t Nov 1868

Lieber Ernst!

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief, und beeile mich ihn zu beantworten, damit Du noch rechtzeitig erfährst daß ich mit vieler Freude die Pathenstelle bei Deinem Söhnchen übernehme, und werden meine Gedanken viel bei Euch sein, und vom Himmel erflehen, daß er ferner so gedeihen möge, und zu Aller Freude heranwachsen möge.

Mit großer Freude habe ich aus Deinem Briefe ersehen, dass Du so große Freude über das liebe Kind und seinem Gedeihen hast, und hoffen dies Gefühl soll noch immer mehr zunehmen, jemehr das Kind || sich entwickelt. Nicht minder freut es mich daß Deine liebe Frau Alles so gut überstanden hat, das nicht mehr, als man gewöhnlich denkt, und dem Himmel dafür dankt.

Ich wünsche Euch ein recht vergnügtes Fest.

Mir geht es nicht sehr sonderlich, muß mich sehr schonen und werde den Winter wol sehr ruhig verleben. Der Sommer mit all seinen Sorgen und Schrecken war zu viel für mich, und scheint jetzt seine Rechte geltend zu machen. Jedenfalls bin ich froh daß es nicht früher war, denn hier jetzt in meiner stillen Häuslichkeit kann ich Alles besser abwarten.

Wir freuen uns Alle so sehr über Carls Versetzung, die Nähe von Berlin ist zu wichtig, besonders für unsere arme Mutterlose Kinder. – Ach lieber Ernst || wie schmerzlich immer wir großen Verluste empfinde glaubst Du nicht, doch wie der liebe Gott es gemacht, so ist es ja gewiß das Rechte.

Eben bekomme ich einen Brief von Carl daß er Sontag herkommen will, wotzu ich mich sehr freue, da höre ich doch, wie es mit seiner Übersiedelung werden wird. Von Ziegenort höre ich Gottlob jetzt immer nur Gutes, wenn es auch immer noch langsam mit Bertha geht, so bleibt es doch beim Guten. Bernhard und die Kinder sind wieder ganz gut. Gott sei ewig gedankt, daß wir kein Opfer zu beklagen haben, ach lieber Ernst, es war eine sehr schwere harte Zeit für die arme Familie und uns Alle. ||

Heinrichs Verheirathung war mir eine große Freude, obgleich es mir nicht lieb war, daß es wieder eine rechte Cousine war. Das junge Paar ist ja sehr glücklich und vergnügt, und so geben der liebe Gott seinen Seegen.

Und nun mein lieber Ernst ein herzliches Lebewohl Dir und Deiner lieben Frau und meinem kleinen Pathen.

Deine treue Mutter

Das habe ich mir nicht anders gedacht als dass Bertha nicht bleiben kann, denn mit einem zweiten Mädchen wird sie sich nie schicken. Recht schade um ihre Schrullen da sie sonst so tüchtig ist, aber sie wird noch etwas versuchen in der Welt, wenn sie sich nicht ändert.

Brief Metadaten

ID
33884
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Frankfurt
Datierung
12.11.1868
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 21,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33884
Zitiervorlage
Sethe, Wilhelmine (geb. Bölling) an Haeckel, Ernst; Frankfurt; 12.11.1868; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_33884