Wilhelmine Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt, 9. Oktober 1868
Frankfurt d 9 Ok 1868
Lieber Ernst!
Ich habe Dir schon längst meinen Dank sagen wollen für Deinen lieben Brief, aber es haben sich in letzter Zeit so viel Ereigniße gehäuft die mir Alles schreiben erschwerten.
Nun bin ich wieder in meinem Winter Quartier angelangt und hoffe nun nach so viel Aufregungen zur Ruhe zu gelangen, statt dessen komme ich hier bei meinen nächsten Bekannten von ein Sterbehaus in das Andere, von ein Krankenjammer ins Andere. Es scheint dies schreckliche Jahr will noch nicht mit seinen Schrecken enden. Wir müssen still halten, tragen was der liebe Gott || über uns verhängt, er weiß doch am besten was für uns dienlich ist, wenn es uns auch noch so schwer erscheint, was Gott thut ist doch wohl gethan. Dies Leben hier auf Erden ist ja nur eine Prüfungs Zeit für die kurze Lebenszeit, die uns reifen soll für jene Ewigkeit.
Ich freue mich nur daß ich Dir jetzt beruhigendes über Ziegenort sagen kann. Carl war dort um die Landwirtschaft nachzusehn und zu ordnen, und der schrieb mir gestern tröstliches. Bertha ist völlig in der Besserung, steht täglich auf hat guten Appetit und die freudigste Stimmung (lag seit d 10 Aug am Tiephus) Max ist auch im Fortschritt, leidet nur jetzt am Geschwürr, was ihn zurückhält. || Seit starke acht Tage hat sich nun Bernhard gelegt und die beiden andern Knaben. Wie Carl mir sagt ist es aber gottlob nicht so schlimm diese würden wol mit dem Schrecktiephus davon kommen Die Kinder wären schon in der Genesung.
Zwischendurch ist das Viehmädchen gestorben, durch eigne Schuld.
Kannst Dir denken was es jetzt ein sorgenvolles Haus ist. Clara Petersen (seine Schwester) ist schon lange dort, die Wirthschaft zu übernehmen, zur Pflege sind zwei Barmherzige Schwestern dort, die ganz vorzüglich sind, und so hoffe ich, wird es sich nun bald besser gestalten. – Ich war zweimal dort, wollte bei || meiner Rückreise noch hin, doch durfte ich nicht, weil jede kleine Aufregung sollte vermieden werden, dies wurde mir sehr schwer, aber man muß sich ja in noch viel schlimmeres fügen allso Geduld.
Gestern starb der alte Stadtrath Petersen, und hier im Hause liegt ein armes Kind vom Oberst Hardt schon 3 Tage im Sterben.
Die Land Räthin Stubenrauch hat einen schlimmen Karbunkel Scheller war sehr Fieberkrank geht langsam besser.
Aber nun genug von Allem Leid und zu der großen Freude zu Dir. Ich sehe dies Kind, als ein großen seegen vom Himmel und freue mich daß es Mutter und Kind so wohl geht. Möchte es der Vermittler sein, und recht zu Eurer Freude heran wachsen, das wünsche ich von ganzer Seele.
Sei mit Frau und Kind auf das herzlichste gegrüßt
Deine treue Mutter
a Grüße auch die Bekannte von mir. Wenn doch über Carl wollte günstig entschieden werden. Eben schreibt er mir daß Alles gesund, aber noch nicht entschieden.
a weiter am Rand v. S. 4