Sethe, Wilhelmine (geb. Bölling)

Wilhelmine Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt, 21. Dezember 1864

Frankfurt d 21t. Dez.

1864

Mein lieber Ernst!

Als ich heute alle Kisten packte, war mirs sehr schwer ums Herz, daß es nicht auch für unsere liebe Anna sein konnte!

Du gehst schweren traurigen Tagen entgegen, wo Du Dich doppelt vereinsamt fühlen wirst, was ich so recht tief mit Dir durchmache.

Ach Ernst, mögest Du immer mehr der geistigen Nähe Deiner seligen Anna inne werden, und versichert sein, sie ist Dir nahe, sieht und ahnet wie Du lebst, und ihrer gedenkst.

Lasse es so sein, wie Du glaubst, daß es ihr lieb wäre, dann wirst Du immer mehr ruhiger werden, und Dein Schicksal männlich tragen was der liebe Gott Dir auferlegt. Und datzu möge Dir das liebe Christkindchen helfen, daß zu unser aller Heil || erschienen ist, und uns so schöne Verheißungen gegeben wo wir mit Zuversicht auf ein schönes Wiedersehen hoffen dürfen, ohne wieder getrennt zu werden.

Dieser Glaube und Überzeugung haben mich über vieles Schwere hinweggeholfen, und wie würde ich mich freuen, wenn auch Du dieser Segnungen Dich erfreutest.

Ich hätte dir so gern eine kleine Freude bereitet, es wollte mir aber schwer etwas einfallen. Da habe ich Dir noch 12 Taschentücher behalten, die Anna gebraucht und denke es wäre möglich, Du möchtest sie gern gebrauchen, und dann habe ich sie Dir so gern gegeben.

Das Buch meint Karl hättest Du noch nicht, da hoffe ich wird Dirs recht sein.

Wie schön daß Du den lieben Vater so sehr viel besser gefunden || es ist wirklich ein halbes Wunder in dem Alter. Möge er doch auf dem Wege bleiben.

Ich bin die Festtage in Landsberg, ich denke mir Du wirst am Ende mal ein paar Tage hin, da Du Hermine und den neuen kleinen Neffen noch nicht gesehen.

Es würde mich dann sehr freuen Dich hier bei mir zu sehn, oder in Landsberg, wie es Dir am liebsten wäre.

Und nun adee mein lieber armer Ernst, sei meiner innigen Liebe und Theilnahme gewiß.

Deine treue Mutter

Grüße Deine liebe Eltern herzlich und sage dem Vater wie sehr ich mich über seinen langen Brief gefreut.

Heinz der kleine Kobolt sitzt neben mir und macht Buchzeichen für Onkel Ernst, den er sehr grüßen läßt.

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
21.12.1864
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33873
ID
33873