Louise Sethe-Seyberth an Ernst Haeckel, Brüssel, 22. Oktober 1875

Brüssel 22 October 75.

Werther Herr Vetter!

Sie erinnern sich gewiß noch Unserer, Ihres Vetters und Ihrer Cousine Sethe, die Sie im Jahre 66 in Paris besuchten. Auch wir vergaßena niemehr die angenehmen Stunden die wir damals mit Ihnen verbrachten. – Meine heutigen Zeilen enthalten eine Bitte an Sie, die Sie uns gewiß nicht abschlagen werden, es würde mir eine große Freude sein, wenn Sie dieselbe erfüllen wollten. In der Wiesbadener Zeitung, nämlich, die mir meine Mutter gestern zusandte, las ich, daß Sie, Herr Vetter, demnächst eine Vorlesung über: „Das Leben der Urthiere“ in Wiesbaden halten werden.||

Wiesbaden ist meine Vaterstadt, und meine Eltern wohnen daselbst; meine Mutter lernten Sie damals in Paris bei uns kennen.

Nun würde es mir ungemein lieb sein, wenn Sie, bei Ihrem nächsten Aufenthalte in Wiesbaden, meine Eltern, mit Ihrem Besuche erfreuen wollten; und auch bei denselben logiren würden; da es doch für Jedermann immer geselliger sein muß, lieber bei Bekannten als im Gasthaus zu wohnen.

Umso mehr mein Vater, als Professor am gelehrten Gymnasium, der bedeutende Kenntnisse der Geographie besitzt, sich sehr glücklich schätzen würde, Sie, dessen Werke er so hochschätzt, bei sich, in seinem Hause || aufnehmen zu können. Meine Eltern würden Alles aufbieten, Ihnen den Aufenthalt in Wiesbaden so angenehm als möglich zu machen. – Auch habe ich diese, schon von der Bitte, die ich an Sie richte, unterrichtet und zähle sicher auf Sie, daß Sie dieselbe nicht abschlagen werden. – Seit dem Kriege bewohnen wir Brüssel, und seit den 9 Jahren daß wir verheirathet sind, erlebten wir nur glückliche Tage. In dem Besitze von 4 gesunden Kindern, 2 Mädchen und 2 Jungen, konnten wir uns keine glücklichere Menschenkinder denken, als wir waren; bis uns dieses Frühjahr, der Keuchhusten und dessen Folgen unsere 2 herrlichen Knaben, binnen 2 Tagen raubten.||

Nun erleben wir traurige Tage, indem wir die Dahingeschiedenen beweinen. – Durch meine Schwägerin Louise, sind wir immer von Allem unterrichtet, was sich in der Familie Sethe in Deutschland ereignet.

Geben Sie uns bald Nachricht, wann Sie, in Wiesbaden sein werden, und machen Sie uns die Freude und wohnen Sie alsdann bei meinen Eltern. – Mein Mann sendet Ihnen die besten Grüße, und in der Voraussetzung daß, Sie, sich der besten Gesundheit erfreuen grüßt Sie herzlichst

Ihre

Sie hochachtende Cousine

Louise Sethe.

Die Adresse meines Vaters:

Herrn Professor Seyberth.

Dotzheimerstraße 8

Wiesbaden.

Die Unsrige:

Mons. Sethe

Rue Philippe le Bon 5. Bruxelles.

a korr. aus: g

Brief Metadaten

ID
33857
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Belgien
Entstehungsland zeitgenössisch
Belgien
Datierung
22.10.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,7 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33857
Zitiervorlage
Sethe-Seyberth, Luise an Haeckel, Ernst; Brüssel; 22.10.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_33857