ZOOLOGISCHES INSTITUT
DER UNIVERSITÄT JENA.
JENA, DEN 22. April 1900.
Lieber Focke!
Auf meine alten Tage will ich nochmal auf Reisen gehen, und zwar will ich nächsten Winter die weiteste Reise meines Lebens machen, nämlich nach Insulinde.
Ich gedenke im August (oder September) ( – mit dem Norddeutschen Lloyd – ) von Genua nach Singapore und Batavia zu fahren, dort (in Buitenzorg, in der vortrefflichen biologischen Station von Treub) einige Zeit zu arbeiten, und dann noch einige der austral-malayischen Inseln (Celebes, Ambon?) zu besuchen, wegen der Korallen-Riffe; vielleicht auch noch Sumatra oder Borneo??). April 1901 hoffe ich zurückzukehren. ||
Die Zwecke dieser meiner zweiten (und letzten!) Reise nach Indien sind: Sammlung neuer „Kunstformen der Natur“ – und Abschluß meiner vieljährigen Protisten- und Plankton-Studien. Daneben hoffe ich Zeit für Landschafts-Aquarelle zu behalten.
– Meine frühere große Reise zur See habe ich meistens von Triest aus angetreten, mit Schiffen des Oesterreichischen Lloyd, der mir außerordentliche Vergünstigungen gewährt (vergl. S. 20-29 und S. 80 meiner „Indischen Reisebriefe“). Auf der Ceylon-Reise u. A. hatte ich bloß die Beköstigung zu bezahlen, dagegen die Passage frei (in einer Cabine I. Classe allein!). ||
Trotzdem würde ich für diese indische Reise den Norddeutschen Llyod vorziehen, theils aus Patriotismus, theils weil sein directer Dampfer die Fahrt von Genua nach Singapore in 24 Tagen macht ( – der oesterreichische bleibt 8 Tage in Bombay u. braucht bis Singapore 42 Tage! –).
Ich habe nun gestern an Herrn Consul Smidt in Bremen (Bruder von Frau Prof. Passow) geschrieben, der im Vorstand der „Norddeutschen Llyod“ ist, und gefragt ob ich vielleicht eine ähnliche beträchtliche Erleichterung (wie seitens des oesterreichischen Llyods) erhalten könne, in Anbetracht des wissenschaftlichen Zweckes der Reise. (Ähnliche Vergünstigungen sind auch anderen wissenschaftlichen Reisenden gewährt worden). ||
Vielleicht kannst Du mein Gesuch direct oder indirect unterstützen, oder mir sagen, an wen ich mich am besten zu wenden habe?
Das IV. Heft meiner „Kunstformen der Natur“ wirst Du erhalten haben.
Habe ich Dir meine „Welträthsel“ geschickt? Sonst stehen sie Dir zu Diensten – ebenso das „Lebensbild“ von mir, das kürzlich Bölsche veröffentlicht hat.
Wir hatten hier einen sehr rauhen Winter, mit viel Influenza. Unser ganzes Haus war krank; ich lag 3 Wochen, meine arme Frau 10 Wochen u. s. w.
Hoffentlich geht es Dir u. den Deinigen gut.
Mit herzlichen Grüßen
Dein alter
Ernst Haeckel.