Ernst Haeckel an Wilhelm Olbers Focke, Jena, 20. Februar 1868

Jena 20 Febr 68

Mein lieber alter Freund!

Dein letzter Brief hat mich sehr erfreut, da ich daraus sehe, daß Du Dich doch allmählich von Deiner schweren Krankheit erholst, und daß Dir Deine jetzige Lage im Ganzen recht behagt. Zugleich hoffe ich von der Dir jetzt zu Gebote stehenden Muße, daß dieselbe die von Dir begonnenen wissenschaftlichen Arbeiten kräftig fördern und zu baldiger Reife bringen wird. Was Du mir darüber schreibst, hat mich sehr interessirt, sowohl die „vergleichende Rubologie“, als Deine Theorie der Eiszeit, welche letztere mir die Haupteigenschaft einer guten Theorie, die Einfachheit und Klarheit zu besitzen scheint. Ich wünsche von Herzen, daß diese Studien rege || gedeihen, und daß Du nicht zu lange mit der Veröffentlichung zögerst. Hast Du nicht Lust, auch einmal in unserer „Jenaischen Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft“ welche jetzt ihren IV Jahrgang beginnt, und von welcher vierteljährlich ein Heft erscheint, einen Aufsatz zu veröffentlichen? Es würde dies natürlich nicht ausschließen, daß derselbe zugleich als Broschüre bei Engelmann erscheint. Die Botanik ist leider bis jetzt gar nicht darin vertreten, da wir mit Pringsheim sehr gespannt stehen. Gegenbaur und ich, die am meisten Interesse für die Zeitschrift haben, suchen dieselbe allmählig zu einem Organ für genealogische Entwickelungsgeschichte zu gestalten. Auch Tafeln könntest Du erhalten. ||

Für die hübsche Photographie, die mir das Glück Deines Familienlebens vor Augen führt, danke ich herzlich. Es freut mich sehr, daß es Dir in dieser Beziehung so gut geht. Ich fühle mich auch wieder ganz anders, seitdem ich nicht mehr allein in meinem Hause bin, und fange jetzt erst wieder an, etwas menschlich zu leben. Meine kleine muntere Frau erheitert mir das Dasein sehr. Sobald ich wieder Abzüge von ihrer Photographie habe, werde ich Dir eine senden. Ich arbeite jetzt wieder mit ganz anderer Ruhe, und mit viel mehr Vergnügen, als in den letztverflossenen trostlosen 4 Jahren. Ich bedarf der Häuslichkeit um so mehr, als ich sehr ungesellig inmitten der hiesigen übertriebenen Geselligkeit leben, und als ich || außer Gegenbaur nur selten Jemand sehe. An letzterem habe ich einen unschätzbaren Freund.

Deinem Onkel bitte ich mich bestens zu empfehlen. Seine Entdeckung der Süßwasser-Radiolarien hat mich sehr interessirt.

Daß Kottmeyer sich wieder verlobt hat, erfreut mich sehr. Ich darf Dich wohl bitten, ihm gelegentlich die Einlage zuzustellen.

Wenn ich Dir durch Sammeln der hiesigen Rabi dienen kann, bin ich gern im nächsten Sommer dazu bereit. Die Idee ein ganz vollständige Monographie der Variabilität dieser merkwürdigen Gruppe halte ich für vortrefflich.

Bogenhardt führt in der hiesigen Flora 9 Arten auf.

Deiner lieben Frau und den alten Bremenser Freunden herzlichen Gruß

Dein treuer Haeckel.

Brief Metadaten

ID
33330
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
20.02.1868
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
SUUB Bremen, Abt. Handschriften und Rara
Signatur
Aut. X, 56 (3)
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Focke, Wilhelm Olbers; Jena; 20.02.1868; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_33330