Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Oskar und Richard Hertwig, Jena, 22. Juni 1871

Jena 22 Juni 71

Meine lieben Freunde!

Vor Allem meinen herzlichsten Glückwunsch zu der Erwerbung des großen Preises, welchen der amplissmus Philosophorum ordo der Universität Jena auf Untersuchungen über die Morphologie der Tunicaten ausgesetzt hatte. Am vergangenem Sonnabend (17. Juni) fand die feierliche Vertheilung der Preise in der schönen Aula academica, begleitet von einer Festrede des Prorector, Prof. Hildebrand, statt. Es waren überhaupt nur 2 Preis-Arbeiten geliefert worden, beide auf die Tunicaten-Frage bezüglich. Zur allgemeinen Überraschung entpuppten sich die anonymen Verfasser derselben als die beiden Gebrüder Hertwig! Sie können sich meine ungeheure Überraschung vorstellen, als ich dies Geheimniß erfuhr!! || Leider konnte ich bei der Feier nicht anwesend sein, da ich am 15. nach Berlin gereist war. Da beide Arbeiten gleich verdienstvoll erschienen, hatte die Facultät ausnahmsweise Beiden den ersten Preis zuerkannt („Der erste Fall der Art in unsrer Universität“!) Der erste Preis besteht in einer silbernen Medaille und 40 ₰. Sie werden dieselben erhalten, sobald Sie mir die beifolgenden beiden Quittungen werden zurückgesendet haben. Also nochmals meinen freudigsten Glückwunsch!

Ich hoffe, Sie werden sich nun Beide der hohen, Ihnen zu Theil gewordenen Ehre dadurch besonders würdig zeigen, daß Sie Ihre Arbeiten vor dem Drucke nochmals sorgfältig durchgehen und sowohl in formeller als in materieller a Hinsicht einer genauen Prüfung resp. Verbesserung unterwerfen. Diese ist, wie ich mich beim Durchlesen überzeugt habe, durchaus nothwendig. || Ich habe selbst dabei schon Einiges corrigirt. Herrn Oscar möchte ich bitten, seine beiden Aufsätze in einen zusammenzuziehen, d. h. den embryologischen Nachtrag der Hauptarbeit einzuverleiben. Ferner ersucht Sie die Redactions-Commission unserer Jenaischen Zeitschrift, die Abhandlungen beutend zu reduciren. Der Text beider Arbeiten zusammen wird im Druck nur ungefähr fünf (Druck) Bogen betragen. Da nun durchschnittlich auf jeden Druckbogen nur eine Tafel bewilligt werden kann, so müssen Sie Ihre Figuren auf 5–6 Tafeln (von dem Ihnen bekannten Format unserer Zeitschrift, Quer-Quart) reduciren. Ich würde Ihnen rathen, die überflüssigen Figuren ganz wegzulassen, und die zu großen Figuren im Druck auf die Hälfte reduciren zu lassen (was der Lithograph leicht kann). Von manchen Figuren (II, 4; III, 8 b in Oscars Arbeit; IV, 1; VII, 2 in Richards Arbeit) genügt ein Stück des Ganzen. || Alle Figuren müssen der Raum-Ersparniß halber stark zusammengedrängt werden. Die meisten können ohne Nachtheil stark verkleinert werden. Ich bitte Sie, auf Tafeln (vom Format der Jen. Zeitschr. Tafeln) genau die Zusammenstellung der reducirten Figuren anzugeben. Abzuzeichnen brauchen Sie sie natürlich nicht. Wollen Sie mehr als 6 Tafeln geben, so müssen Sie dieselben selbst bezahlen (jede wird im Steindrucke 15–20 rℓ kosten). In Ihrem eigenen Interesse liegt es, daß die Arbeiten möglichst bald gedruckt werden, da, wie ich höre, jetzt wieder andere Zoologen hinter den Ascidien sitzen (Van Beneden, Mecznikoff etc). Da nun das nächste Heft der Jen. Zeitschr. innerhalb der nächsten drei Wochen druckfertig wird und wir die Aufnahme Ihrer Arbeiten in dasselbe wünschen, möchte ich Sie bitten, sie bis Mitte Juli zurückzusenden. Herr Richard hat auch die Tafel-Erklärung vergessen! ||

II.

Meine Berliner Reise galt weniger den Einzugs-Feierlichkeiten (die mich übrigens, besonders der künstlerische Schmuck der Stadt, sehr befriedigt haben), als vielmehr dem Aufsuchen eines neuen Kupferstechers. Mein alter Wagenschieber ist vor 4 Wochen gestorben und kurz darauf auch sein Mitarbeiter und Assistent, Bernhard. Es ist daher jetzt der größte Mangel an Kupferstechern für unsere Zwecke. Ich habe derer 9 in Berlin und 7 in Weimar aufgesucht, ohne einen Einzigen zu finden, der den Stich meiner Spongien-Tafeln (40 sind noch zu stechen!) übernehmen könnte oder wollte. Fragen Sie doch einmal Max Schultze, wo er nach dem Tode von Wagenschieber alle Tafeln für sein Archiv machen lassen will? ||

Flemming ist seit Kurzem wieder hier und recht wohl.

Wenn Sie zu Bleeks kommen, bitte ich freundliche Grüße zu bestellen, ebenso bei Max Schultze. Bei Bleeks ist jetzt auch meine Tante (die jüngste Schwester meiner Mutter), Frl. Bertha Sethe aus Berlin. Aus ihrem Fenster in der Königgrätzer Str. habe ich den Truppen-Einzug mit angesehen.

Fragen Sie doch Max Schultze, was er zu dem „protozootischen“ Blödsinn von Herrn Dönitz sagt (in seinem neuesten Product über Radiolarien und Siphonophoren). Dieser biedere Jünger ist noch frecher und dümmer als sein Meister Reichert.

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr treuer

E. Haeckel

a gestr.: Hinsicht; b gestr.: ,

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
22.06.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33301
ID
33301