Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Corfu, 12. März 1877

Corfu 12a März 77

Lieber Richard!

Sie werden erstaunt sein, diesen Brief aus Corfu, satt aus Lesina zu erhalten. Meinen anfänglichen Plan, Nach Lesina zu gehen, habe ich aus mehreren Gründen aufgegeben und nach längerem Schwanken zwischen verschiedenen Orten Corfu den Vorzug gegeben. Außer den Spongien die hier noch zahlreicher als in Lesina zu sein scheinen, hoffe ich hier auch einige von den kleinen Medusen (Trachynemiden und Aeginiden besonders) zu treffen, mit denen ich mich 1864 in Villafranca und 1867 in Lanzarote sehr eingehend beschäftigt habe. || Ich denke dieses alte, nun schon 13 Jahre abgelagerte Material zusammen mit den hier etwa zu findenden Medusen im ersten Hefte unserer „Jenaer Denkschriften“ (mit 10–12 Quart-Tafeln) zu publiciren. Giltsch hat bereits mehrere davon in Arbeit. Da diese Arbeit hauptsächlich systematischer Natur sein wird und da meine Untersuchungen vorzugsweise die gröberen Verhältnisse betreffen, so werden Ihre eigenen, besonders auf die Histologie gerichteten feineren Untersuchungen eine sehr willkommene Ergänzung dazu bilden. Es wird zweckmäßig sein, wenn Sie dieselben möglichst bald ausarbeiten, so daß sie gleichzeitig mit den meinigen und in unmittelbarem Anschlusse daran im ersten Hefte erscheinen ||

Der Druck Ihrer Spirochona-Arbeit ist einzig und allein durch das Correctur-Verfahren des Herrn Hatschek veranlasst, der das Erscheinen des I. Heftes (das schon im December kommen sollte) bis jetzt, also über ein ¼ Jahr verzögert hat. Ich habe Dufft wiederholt gebeten, das Erscheinen möglichst zu beschleunigen und Ihre Arbeit (im Beginn des 2. Heftes) möglichst rasch drucken zu lassen. Er versicherte mir aber, daß b die Fortsetzung des Drucks vor Erledigung der Affaire Hatschek (– der ganze Seiten hinein u. heraus-corrigirt hatte –) unmöglich sei. Sollte Sie auch jetzt noch nicht die Correctur erhalten haben, so bitte ich Sie, an Dufft direct einen dringlichen Brief zu schreiben. ||

Nach Messina zu kommen, schien mir deßhalb weniger zweckmäßig, weil ich die Systematik der dortigen Medusen bereits kenne, und weil Spongien dort schwer zu haben sind. Außerdem mochte ich nicht gerade Herrn Fol begegnen, einem der gemeinsten und elendesten Menschen, die ich kenne. Nachdem ich diesem Herrn während seines mehrjährigen Studiums in Jena alle möglichen Gefälligkeiten erweisen und ihm erlaubt hatte, mit nach den Canaren zu gehen, hat er mir nicht nur diese Reise durch seinen gemeinen Egoismus total verbittert, sondern mich jetzt auch (gelegentlich der Gastraea) in der gehässigsten Weise angegriffen und (in Lacaze’s Archiv) als „Naturaliste prussien (!!) geschimpft! Das ist der Dank!!

– Von Corfu kann ich Ihnen heute nur sagen, daß ich seit meiner Ankunft (am 5 März) – also seit einer Woche unaufhörlichen Regen genieße!

Herzlichste Grüße an Oscar, Klostermann, Saramo etc.

Adresse: Hôtel Bella Venezia. Corfu. (via Brindisi).c

a korr. aus: 11; b gestr.: das; c weiter am Rand v. S. 1: „Herzlichste Grüße an … Corfu. (via Brindisi).

 

Briefdaten

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.03.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33283
ID
33283