Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 4. August 1887

VILLA HAECKEL. JENA, DEN 4. August 1887.

Lieber Richard, theurer Freund, Schüler, Mitarbeiter und Reisegefährte!

Das beifolgende Päärchen einer neuen Medusen-Art (Ephyropsis argentea) soll Ihnen meine und meiner Frau herzlichste Glückwünsche zu Ihrem bevorstehenden Hochzeitsfeste bringen. Möge Ihre Ehe in jeder Beziehung freudvoll und gesegnet sein, das ist unser aufrichtigster Wunsch! ||

Es freut mich sehr, daß Ihre Hochzeit mit der glänzenden Berufung Ihres Bruders Oscar nach Berlin zusammenfällt, ein Ereigniß, welches ich sowohl im Interesse des letzteren als auch ganz besonders unserer Wissenschaft, für höchst glücklich und bedeutungsvoll halte. Wir armen Jenenser verlieren allerdings dabei sehr Viel! Allein das ist nun einmal das Schicksal von Jena, und zum Glücke giebt es nicht viele tüchtige, die meinem unklugen Beispiele folgen und zeitlebens hier sitzen bleiben (– respective versimpeln!) ||

Schon der Umstand, daß Oscar die langweilige und handwerksmäßige Thätigkeit des zeitraubenden Präparir-Saals aufgeben und dafür freie Zeit & Arbeitskraft werthvolleren Aufgaben zuwenden kann, scheint mir entscheidend für die Annahme der Berliner Stellung zu sprechen; noch mehr aber die Thatsache, daß dadurch der morphologische Lehrstuhl der seit mehr als 30 Jahren – seit Johannes Müller’s Tode – so gut wie unbesetzt war wieder mit einem Talente ersten Ranges besetzt wird, noch dazu von einem (– den Berlinern bisher so verhaßten! –) Darwinisten! ||

Hoffentlich werden wir Sie und Ihre liebe Frau bald einmal hier sehen! Ich fürchte sehr, daß später durch Oscars Weggang die Anziehungs-Kraft Jenas’ für Sie größtentheils aufgehoben wird! Ich werde den größten Theil der Ferien hier bleiben, und nur Mitte September mit meiner Frau auf 14 Tage an den Rhein gehen, um mit Lisbeth (die bis Ostern in Pension in Wiesbaden bleibt) ein paar Wochen zusammen zu sein. Ein paar Monate werde ich noch mit dem Abschlusse der Challenger-Siphonophoren zu thun haben (wenige, aber interessante Arten). Im Übrigen geht es uns gut! –

Mit wiederholten besten Wünschen für Ihr junges Eheglück, und mit herzlichen Grüßen von mir und meiner Frau

Ihr treuer alter

Ernst Haeckel

Brief Metadaten

ID
33275
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
04.08.1887
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33275
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Hertwig, Richard; Jena; 04.08.1887; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_33275