Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 3. November 1892

Jena 3. November 92.

Lieber Richard!

Mit herzlichster Theilnahme haben meine Frau und ich die betrübende Nachricht von der Erkrankung Ihrer lieben Frau vernommen; hoffentlich wird der Winter-Aufenthalt in Davos sie ganz herstellen. Für Sie wird aber die Trennung recht schwer sein. Dagegen hören wir mit Freuden, daß Ihre Kinder gut gedeihen und Ihnen Freude machen. Hoffentlich sind Sie im nächsten Sommer aller Sorge enthoben! ||

Uns geht es gut. Meine Frau ist durch die glücklich gelungene Gallenstein-Operation von ihren vieljährigen Leiden gänzlich befreit und munterer als je vorher. Walter hat seine ersten Landschaftsbilder verkauft und geht jetzt auf ein Jahr nach Italien. Lisbeth ist mit ihrem Hans sehr glücklich und höchst vergnügt. Emma entwickelt sich langsam. Im Übrigen leben wir sehr still, da alle alten Bekannten fortgegangen oder gestorben sind, und der Rest ungenießbar. || Indessen blüht unser Referir-Abend erfreulich und wirkt immer recht anregend. –

Ich arbeite seit einem Jahr an einer großen Plankton-Sammlung (von Capt. Hennsdorff) und werde weitere Beweise gegen Hensen in Fülle bringen. Im August und September war ich mehrere Wochen in Schottland und fischte mit Murray auf dessen reizender Dampf-Yacht „Medusa“. Auf der Rückreise bewunderte ich das herrliche neue Museum of Natural History in London. ||

Für die vacante zoologische Professur in Marburg habe ich sowohl dort als in Berlin auf Befragen zunächst Heider, Korschelt, Boveri (u. weitera einige Andere) vorgeschlagen. Daß der nichtswürdige Renegat Hamann sie bekommt, ist nicht zu befürchten; seine Felonie ist auch dort bekannt.

Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen

Ihr alter Ernst Haeckel

P. S. Die beifolgende „Altenburger Rede“ vom 9. October hat viel Staub aufgewirbelt.

a eingef.: weiter

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.11.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33263
ID
33263