Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 20. Februar 1910

Jena 20.2.1910.

Lieber Freund!

Für Ihren freundlichen Glückwunsch zum 76. Geburts-Tag meinen besonderen Dank! Ich habe das 77. Jahr in befriedigender Verfassung angetreten, nachdem ich unter das böse 76.ste einen dicken Strich gemacht. Ich lebe jetzt ganz still zu Hause.

Von meinem liebenswürdigen Amtsnachfolger Plate habe ich seit October Nichts gesehen. Ich höre nur, daß er mit aller Welt in Streit liegt, mit Senat, Facultät und Studenten! Durch sein unglaublich brutales Wesen macht er sich allgemein verhaßt. Übrigens ist er ein tüchtiger Dozent und Instituts-Director. Das Phyletische Museum will er ganz allein einrichten. Ich habe auf jede Mitarbeit verzichtet. ||

Ich reise Mitte März auf 5 Wochen an die Riviera, einer Einladung des Fürsten Albert von Monaco folgend, zur Einweihung seines großartigen Ozeanographischen Museums. (29.3.–1.4.). Auf der Rückreise (Anfang Mai?) will ich einige Tage in München bleiben und freue mich, Sie dann wieder zu sehen.

Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus

treulichst Ihr alter

Ernst Haeckel. ||

[gedrucktes Rundschreiben:]

Phyletisches Museum in Jena.

Zahlreiche Anfragen, betreffend den Besuch des neuen Phyletischen Museums in Jena, veranlassen mich zu folgender Mitteilung. Das Gebäude des Museums (Neugasse 22), welches innerhalb Jahresfrist fertig gestellt wurde, ist zwar am 30. Juli 1908 der Universität Jena – bei Gelegenheit ihrer 350jährigen Jubelfeier – als Eigentum übergeben worden; es ist aber noch so feucht, dass die innere Ausstattung und das Einräumen der wertvollen Sammlungen erst im nächsten Frühjahr beginnen kann. Voraussichtlich wird diese umfangreiche Arbeit noch das ganze nächste Jahr in Anspruch nehmen, so dass die Oeffnung der Schausammlungen für das Publikum erst im Frühjahr 1910 stattfinden kann.

Die Geldmittel für den Bau und die Ausstattung des Museums sind lediglich durch freiwillige Beiträge meiner Schüler und Freunde, sowie durch hochherzige Gaben von begüterten Anhängern der Entwicklungslehre gesammelt worden. Weitere Gaben dafür nimmt dauernd das „Rentamt der Universität Jena“ entgegen, das darüber zu quittieren amtlich ermächtigt ist. Von den Erträgen dieser fortgesetzten Sammlung wird es abhängen, ob dieses „Erste Museum für Entwicklungslehre“ in vollem Maße das hohe Ziel erreichen wird, welches mir bei seiner Gründung im Beginne des Jahres 1907 vor Augen stand, die Schaffung einer öffentlichen Bildungsstätte für wahre Natur-Erkenntnis, eines Tempels für den Kultus des Wahren, Guten und Schönen.

Jena, 18. August 1908.

Ernst Haeckel.

Brief Metadaten

ID
33232
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
20.02.1910
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33232
Beilagen
gedrucktes Rundschreiben
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Hertwig, Richard; Jena; 20.02.1910; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_33232