Jena, 16. November 1887
Lieber Krabbe!
Es hat mich sehr gefreut, nach langer Zeit einmal wieder von dir zu hören. Dein Augenleiden bedaure ich recht sehr und hoffe, dass es sich bald bessert. Auch meine Augen haben sehr abgenommen, so dass ich wenig mehr mikroskopiren werde. Ich habe sie zu sehr angestrengt bei den 10 jährigen Untersuchungen über die Challenger-Radiolarien. Dies Werk ist kürzlich (englisch) erschienen, mein dickstes! (3 Bände, 30 Pfund schwer, 140 Tafeln und 2 000 pag Text).
Im Uebrigen geht es mir gut. Mein neues Zoologisches Institut ist hübsch eingerichtet und gut besucht. In meinen Mussestunden erfreue ich mich, wie du, an Garten-Arbeit; ich komme wieder zu meiner alten Vorliebe für das Pflanzenreich zurück, welches doch im Grunde aesthetisch und moralisch vollkommener ist, als das Thierreich, und namentlich als jene verfehlte Leistung, welche man als „Homo sapiens“ an die Spitze des letztern zu stellen pflegt!
Meine gute Mutter (88 Jahre) lebt noch (sehr gebrechlich) bei meinem Bruder in Potsdam. Letzterem geht es gut. –
Von Focke bekam ich neulich einen Brief. Er beschäftigt sich auch mehr und lieber mit den Pflanzen (Rubus) als mit den Menschen (Patienten).
Hoffentlich kommst du bald einmal nach Deutschland und versäumst dann nicht, uns zu besuchen!
Mit freundlichem Grusse
in alter Freundschaft
dein treuer E. Haecke1.