Ernst Haeckel an Harald Krabbe, Jena, 5. Mai 1863

Jena, 5.Mai 1863

Lieber Freund!

Hoffentlich trifft dich dieser Brief noch rechtzeitig vor deiner Abreise an. Ich hätte dir schon längst auf deinen Brief geantwortet, wenn ich nicht gar zu Viel zu thun gehabt hätte. Du glaubst nicht, was so ein Hausvater für ein beschäftigtes Subject ist! Das bischen Zeit, was die Arbeiten übrig lassen, nimmt die kleine Frau vollständig für sich in Anspruch, so dass für die alten Freunde kaum noch eine Stunde übrig bleibt! Dass endlich dein Wunsch in Erfüllung geht, nach Island zu reisen, freut mich sehr und ich wünsche dir von Herzen recht viel Glück dazu! Nimm dich nur in Acht, dass du nicht selbst einen Echinococcus acquirirst! Wenn Du zwischen deinen verschiedenen Gläsern etc. noch Platz findest, ein bischen Meeressand und Schlamm, womöglich aus der Tiefe, beizustecken, so kannst du mir, der Polythalamien wegen, ein schönes Geschenk damit machen. Radiolarien werden wohl kaum dort vorkommen! Sonst stecke sie ja für mich in ein kleines Weingeist-Gläschen. Im Ganzen beneide ich dich sehr um die Reise. Ich möchte auch gar zu gerne einmal den hohen Norden sehen! Jedenfalls wirst du doch meinen Namenbruder, den Hekla besuchen! Grüsse ihn schön von mir. Und komme gesund wieder zurück. Mir ist es inzwischen, wie du denken kannst, ausserordentlich gut gegangen. Unsere 6 wöchentliche Hochzeitreise war reizend: 1 Woche in Dresden, 2 in Regensburg und Innsbruck, eine Woche in München, 14 Tage zu Fuss im Salzkammergut (Salzburg, Gosau, Ischl) und ebenso 14 Tage in Tyrol (Meran, Wormser Joch, Finstermünz). Meine kleine Frau war sehr munter, vortrefflich zu Fuss und marschierte im Durchschnitt täglich 8–10, oft sogar 12–13 Stunden! Meist schönes Wetter! Unsere Einrichtung in der reizenden Wohnung hier an der Saale ist allerliebst. Du musst selbst einmal herkommen, um sie genügend zu würdigen. Auch sonst geht es uns ganz vor-||trefflich. Vorigen Winter hatte ich Viel zu thun. Ich las Zoologie, Osteologie, Histologie und ein viel besuchtes Publicum über Darwins Theorie. Diesen Sommer lese ich Embryologie, Paleontologie und Osteologie. Meinen Eltern und Bruder geht es gut. Mein Bruder ist nach Landsberg an der Warthe (nahe der Provinz Posen) versetzt.

Meine Frau grüsst dich herzlich. Deine niedliche Thorwaldsen’sche Tänzerin, die auf ihrem Schreibtische prangt, erinnert sie oft an dich. Wir beide wünschen dir von Herzen Glück und recht guten Erfolg zu deiner Isländer Reise.

Mit bestem Grusse

Dein Haecke1.

Brief Metadaten

ID
33109
Gattung
Briefabschrift
Empfänger
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach
Datierung
05.05.1863
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
2
Format
22,3 x 28,2 cm
Besitzende Institution
Unbekannt
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Krabbe, Harald; Jena; 05.05.1863; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_33109