Jena 28. Februar 1913.
Liebster Freund!
Besten Dank für Deine Schnee-Grüsse aus dem Engadin, und für die freundlichen Glückwünsche zum 79. Geburtstage! Ich habe mich sehr gefreut, daß Du Dich endlich von der deprimierenden Nebel Atmosphäre Glasgows losgerissen und in den erquickenden Sonnenschein der Hochalpen Erholung gesucht und gefunden hast. Wünsche, daß das Nervensystem bald ganz gesund wird. Sehr amüsiert hat mich der delphische Orakel-Spruch des Pariser Spezialisten, die Du konsultiert hast: „Il’ne manque que la Philosophie“! Da ich an diesem unschätzbaren Artikel Überfluß habe, sende ich dir hiermit brieflich ein ganzes Hektoliter (ideal!) – ||
Bei uns ist der Winter zwar nicht sehr streng, aber ungemütlich und ungesund. Schwester Röschen liegt seit 8 Wochen mit Influenza zu Bett. Meine Gelenkschmerzen (Linke Hüfte und rechtes Knie) hindern mich fortdauernd am Ausgehen.
Wir würden Viel darum geben, einige Tage an dem sonnigen Strande der Riviera uns erholen zu können; aber leider ist für uns Beide das Reisen für immer ausgeschlossen!
– Den Kindern in München und Leipzig geht es gut.
Beifolgende Bücher werden Dich hoffentlich in stillen Muße-Stunden unterhalten. In Amundsen ist besonders die historische Einleitung interessant; ferner die Psychologie der wunderbaren Eskimohunde, die allein die „Eroberung des Südpols“ möglich gemacht haben.
Mit besten Wünschen und herzlichen Grüssen von Haus zu Haus
treulichst Dein alter
Ernst Haeckel. ||
[Druckschrift: Dankesschrift zum 80. Geburtstag]
Seinem lieben Freunde Dr. Paul Rottenburg (Glasgow)
Herzlichsten Dank und Gruss!
Ernst Haeckel