Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Bad Wildungen, 28. August 1908

Bad Wildungen (Villa Victoria)

28.8.08.

Liebster Freund!

Seit 10 Tagen sitze ich hier in tiefster „Waldeinsamkeit“ und beginne mich von den kolossalen Strapatzen der letzten, höchst unruhigen Monate zu erholen. Ich bleibe hier noch circa 3 Wochen und denke Mitte September nach Jena zurückzukehren. Die beabsichtige Schweizer Reise habe ich aufgegeben, weil meine Kräfte zu eigentlichen Bergtouren nicht mehr ausreichen, und ich vor Allem Ruhe brauche. Auch ist mir die hiesige Trinkkur (Helenenquelle) bei meinen etwas angegriffenen Nieren vor 2 Jahren so gut bekommen, daß ich eine Wiederholung für angezeigt halte. ||

Daß unsere akademischen Feste in Jena (– und deren erster Akt: die Übergabe meines „Phyletischen Museums“ an die Universität, am 30. Juli –) sehr erfreulich verlaufen sind, habe ich Dir bereits bei Übersendung der Festschrift mitgeteilt. Schade, daß Du nicht dabei sein konntest! Du würdest Dich sowohl über die Verewigung Deines Namens auf der „Ehrentafel“ (– „Förderer des Phyletischen Museums“ –) gefreut haben, als über Dein schönes Geschenk: „Aphrodite in der Muschel“ – die Hauptzierde des „Phyletischen Archivs“ (des schönsten Saales). ||

Ich denke in Deinem Sinne zu handeln, wenn ich auch den Rest Deiner hochherzigen Schenkung (2000 Mk) vorzugsweise zur künstlerischen Ausstattung dieses schönsten Saales benutze. Übrigens wird die eigentlich innere Einrichtung des Museums (– da das Gebäude noch sehr feucht ist –) erst im nächsten Frühjahr beginnen; die Öffnung für das Publicum erst 1910.

– Die Muße meines hiesigen Stilllebens (– soweit sie nicht die Kur in Anspruch nimmt –) wird durch Korrekturen von 2 neuen Auflagen ausgefüllt: 1. Natürliche Schöpfungsgeschichte (11.) – 2. Insulinde (2.) 3. Welträthsel (250.). Zu neuen Arbeiten werde ich kaum noch kommen; die Korrespondenz wächst ins Unendliche. ||

Schwester Röschen, die eine Badekur in Lobenstein gebraucht hat, ist wieder in Jena und bringt Ordnung in die „zerstörte“ Villa Medusa, in der ich 5 Wochen allein (– ohne jede „Bedienung“! –) gehaust habe. Ich habe dabei die Funktionen des „Hausmädchens“ gründlich kennen gelernt!! –

Hoffentlich geht es Dir und Deiner lieben Familie gut!

Führt Dich Deine Reiseroute wieder in die Nähe von Jena, so vergiß nicht Deinen treuen

alten E. Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
28.08.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32893
ID
32893