Ernst Haeckel an Paul Rottenburg, Basel, 20. August 1899

Basel, 20. August 1899.

Liebster Freund!

Deiner freundlichen Einladung, nach dem schönen Callender – und noch mehr, am 28.8. zur Feier von Goethe’s 150j. Geburtstag nach Frankfurt M zu kommen, würde ich gern gefolgt sein. Aber das Schicksal hat es einmal wieder anders bestimmt. Ich habe am 12. August eine zweimonatliche Erholungs-Reise nach der Schweiz, Corsica u. Italien angetreten; ich bedarf dringend gründlicher Ausruhe u. einsamen Naturgenusses, da ich entsetzlich mürbe u. abgearbeitet bin. Ich hatte einen aufreibenden Sommer. Mein letztes Buch: „Die Welträthsel“ (Studien über monistische Philosophie) mußte um jeden Preis bis zum August fertig werden. || Es ist nun fertig gedruckt (500 S.) u. wird Dir durch den Verleger (Emil Strauss in Bonn) Mitte September zugehen. Ich habe darin meine ganze monistische Weltanschauung mit allen Konsequenzen zusammengefaßt (I. Mensch. II. Seele. III. Welt. IV. Gott.) ganz im Sinne unseres Vorbildes Goethe. Die Arbeit hat mich aber sehr aufgeregt. Ich leide seit ½ Jahr an Schlaflosigkeit, Herzklopfen etc. Dazu war meine arme Frau wieder 6 Wochen sehr krank (Herz u. Nerven), auch der traurige Gemüthszustand von Emma wieder schlimmer, so daß wir schon daran dachten, sie in eine Nerven-Heilanstalt zu bringen. || Seit Mitte Juli geht es Beiden wieder besser. Verreisen will aber meine Frau überhaupt nicht mehr.

In Leipzig geht es gut.

Walter malt in Holstein. Heinrich wird Dich vielleicht mal im Herbst besuchen. –

Ich war diese Woche zunächst in Heidelberg, gehe morgen nach Zürich, wo ich 4 Tage bei meinem Ritter-Professor Arnold Lang wohne (Rigi-Str. 50, bis 24.8.). Dann gehe ich wahrscheinlich auf 10 Tage nach Chamounix (das ich noch nicht kenne), dann von Genf nach Marseille. Am 8. Septb. will ich mich dort nach Corsica einschiffen, wo ich 3–4 Wochen „Kunstformen der Natur“ nach dem Leben zeichnen will (in Ajaccio, Hôtel Central). || Rückreise im October über Rom. Sobald ich Ende Octb. zu Hause bin, schicke ich Dir das III. Heft der „Kunstformen“ in 3 Expl. – auch a das II. Heft für Deine beiden Adressaten. –

– Das Reisewetter war bisher sehr schön; ich fange an mich etwas zu erholen. Hier in Basel bin ich Gast meines edlen Gönners Dr. Paul von Ritter. Er hat mich (im I. Hôtel, 3 Könige) für 4 Tage fürstlich einlogirt.

Mit herzlichsten Grüßen u. besten Wünschen für Dich u. d. Deinigen

Dein treuer

Ernst Haeckel.

a gestr.: für

Brief Metadaten

ID
32805
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
20.08.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,3 x 22,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32805
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Rottenburg, Paul; Basel; 20.08.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32805