Villa Haeckel. Jena, den 29. Decbr 1890.
Liebster Freund!
Du hast uns wieder so reich mit Deinen liebenswürdigen Weihnachts-Gaben bedacht, daß ich nicht länger säumen will, Dir meinen und der Meinigen herzlichsten Dank zu sagen. Die illustrirten „Christmas-Number’s“ haben uns schon mehrere sehr heitere Abende bereitet, und meine alte Gastrula ist hoch entzückt über die dulicösen Caviar- und Liqueur-Genüsse! ||
Aus dem Studium meiner classischen „Plankton-Studien“ (p. 56, § IV K) wird Dir hoffentlich die hohe wissenschaftliche Bedeutung des edlen Caviar klar geworden sein; und Du wirst mir gewiß glauben, daß ich jetzt täglich damit beschäftigt bin, die von Dir gütigst übersandten Fisch-Eier von Accipeuser nach der berühmten Methode von Hensen zu zählen; da ich jetzt schon seit Weihnachten „den Tag zu acht Arbeitsstunden gerechnet“ (pag. 88) daran zähle, bin ich in diesen 40 || Zählstunden schon zu einer recht hübschen Summe gelangt; ich will Dir sie aber erst vertraulich schreiben, wenn ich ganz mit Zählen fertig bin (– vorausgesetzt, daß ich mein bischen Verstand inzwischen dadurch nicht vollends verloren habe! –). –
Übrigens erregen meine Plankton Studien im wissenschaftl. Publicum ziemliches Aufsehen; ich werde wahrscheinlich den Gegenstand, der mich sehr interessirt, noch weiter verfolgen. Der „Scharfsinn“ (– oder „Schaafsinn“?) von Hensen ist wirklich großartig! –
Murray hat sich über die Dedication sehr gefreut! ||
Hoffentlich hast Du mit Deiner lieben Familie ein recht frohes Weihnachtsfest verlebt. Wir haben desgleichen gethan, und sind zufrieden, da es meiner Frau jetzt wieder leidlich geht.
– Zum Sommer erwarten wir Dich bestimmt in Villa Medusa’s und hoffentlich kommt Tante Ida auch mit; dann wollen wir einmal einige frohe Tage in Jena’s Waldgebirgen verleben!
– Mit herzlichsten Grüßen und besten Wünschen für 1891
Dein treuer alter
Ernst Haeckel.