Jena 14 Februar 77
Lieber u. hochverehrter Freund!
Zu Deinem kommenden Geburtstage, den ich mit Dir zu theilen die Ehre habe, sende ich Dir meine herzlichsten Grüße und Glückwünsche. Mögst Du das kommende Lebensjahr in voller Rüstigkeit und Heiterkeit erleben, und Dich dabei des Fortschritts in reger Theilnahme erfreuen, der, wie alle Gebiete des Wissens, so ganz besonders unsere Zoologie, in zunehmender Schnelligkeit zu höherer Entwickelung und Blüthe treibt. || Hoffentlich ist es mit Deiner Gesundheit in dem verflossenen Winter, der hier wenigstens außerordentlich milde war, zur Zufriedenheit gegangen. Ich habe mich ganz wohl befunden, trotz mancher Angriffe meiner Gegner, und trotz der oft etwas zu gehäuften Arbeit. Die Polemik ist übrigens doch im Grunde eine Arbeit, bei der nicht Viel herauskommt, und so habe ich dann beschlossen, mich ihrer in Zukunft thunlichst zu enthalten, und meine Zeit besser auf positiven Arbeiten zu verwenden. ||
Meine Untersuchungen über Physemarien hast Du hoffentlich erhalten. Jetzt bin ich mit Untersuchung der Radiolarien des „Challenger“ und Vergleichung derselben mit den fossilen Radiolarien v. Barbados beschäftigt. Das Material ist außerordentlich reich und wird mich mehrere Jahre beschäftigen.
In 10 Tagen (am 25. Februar) reise ich über Triest nach Dalmatien, um dort 6 Wochen (wahrscheinlich in Lesina) zu arbeiten, besonders eine Untersuchung über Medusen zu vollenden, welche ich schon vor 10 Jahren auf Lanzarote begonnen hatte. ||
Bei Betrachtung des außerordentlich reichen und umfassenden Materials der Challenger-Sammlungen in Edinburgh (– über welche ich Dir wohl schon früher schrieb) – habe ich aufs Neue bedauert, daß dem armen Willemoes-Suhm nicht beschieden war, sie zu verwerthen und das Begonnene zu vollenden.
Mit der Bitte, mich Deiner verehrten Frau Gemahlin bestens zu empfehlen, und mit wiederholten freundlichsten Glückwünschen und Grüßen
Dein treu ergebener
E. Haeckel