Ernst Haeckel an Richard Semon, Jena, 29. September 1892

Jena 29. Septbr 92.

Lieber Freund und College!

Ihre drei Briefe vom 10. Juni (Cooktown), 6. Juli (Maryborogh) und 7. August (Tim Shags Kreek) habe ich richtig erhalten u. mich sehr gefreut, daß Sie gesund u. tüchtig bei der Arbeit sind. Der glänzendste Erfolg wird Ihnen nicht fehlen! Ihre Neu-Guinea-Sammlung ist im August hier angekommen, größtentheils wohlbehalten; nur die Korallen sind meistens zertrümmert (wie gewöhnlich!) –

Im Anfang Juli war unser edler Gönner, Dr. Paul von Ritter hier, um Ihre Sammlungen zu sehen. Er war sehr befriedigt und händigte mir die zweite Hälfte seiner Extra-Subvention für Sie ein. Ich habe dieselbe (3000 Mk) sofort an Ihren Berliner Banquier Herrn Hardy gesandt. Sie brauchen nun in keiner Hinsicht zu sparen! ||

Von unserer wunderbaren „Bismarck-Feier in Jena“ (am 30. und 31. Juli) werden Sie in den Zeitungen genug gelesen haben. Es war das größte und glänzendste Fest, das unsere kleine Musenstadt je erlebt hat, und höchst gelungen. Es kitzelt meine Eitelkeit ein wenig, daß ich es zu Stande gebracht habe (– trotz Widerspruchs von Delbrück und dem „besonnenen Rufer aller Parteien“!)

– Anfang August begleitete ich meine Familie nach Kissingen, wo wir in aller Stille unsere silberne Hochzeit feierten. Dann fuhr ich über Hamburg nach Edinburgh und fischte mehrere Wochen mit Murray an der Westküste von Schottland und den Hebriden, auf seiner reizenden Dampf-Yacht „Medusa“. Die schönen Ergebnisse bestätigten ganz die Behauptung meiner „Plankton-Studien“ (contra Hensen). || Auf der Rückreise war ich 3 Tage in London u. bewunderte das neue Museum of Natural History in S. Kensington.

– Über Coldwell schimpfen die Engländer stark; er hat eine reiche Frau geheiratet, zeugt Kinder, beschäftigt sich mit technischen (physik.) Spielereien u. thut sonst gar Nichts! Sie haben also seine Concurrenz nicht zu fürchten. Sein schönes Material scheint überhaupt zu Grunde zu gehen!

– Unser Sommer war ungewöhnlich heiß; Mitte August 38 – 40° C. im Schatten! Auch die II. Hälfte Septbr ist noch ganz sommerlich, gestern hier 18° R. im Schatten; Alles ist grün und frisch wie im Juli! Bei den schönen Sommer Abenden auf der Schweizer Höhe haben wir Ihrer oft freundlichst gedacht. Biedermann prophezeit Ihnen noch immer Unheil – wegen der 13. G. St. u. der Abreise am Freitag! ||

Am 8. Oct. wird in Weimar die goldene Hochzeit Serenissimi gefeiert, wozu großartige Vorbereitungen getroffen werden. – Vor 8 Tagen hat sich in München Prinz Ernst von Meiningen (der Maler, Zögling von Eggeling) mit Fräulein Jensen vermählt (Tochter des Schriftstellers). –

Die Hoffnung, daß Biedermann in Frl. v. H. (eine Treppe höher!) eine edle Lebensgefährtin finden werde (trotz Schampl), hat sich nicht erfüllt, da die Familie v. H. nach Marburg übersiedelt. Prof. Greeff in M. ist gestorben u. soll durch Hamann ersetzt werden!!! Ein neuer Segen des „Neuen Curses“!

– Fürbringer’s u. meine Familie geht es gut; sie lassen herzlichst grüßen.

Mit besten Wünschen für ferneren guten Erfolg Ihrer schönen Reise stets Ihr treuer

E. Haeckel.

Brief Metadaten

ID
32671
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
29.09.1892
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 22,4 mm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32671
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Semon, Richard; Jena; 29.09.1892; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32671